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Jean Paul

Clavis Fichtiana
seu
Leibgeberiana

(Anhang zum I. komischen Anhang des Titans)

Vorrede

Der Clavis ist ursprünglich das letzte Glied im komischen Anhang zumTitan; er löset aber von der alten Naide abum sich freier und durch Gesperrezu bewegenwodurch ihm der korpulente Titan nie nachkann. Wenn es schicklichwäredem eignen Kinde Lorbeerkränze aufzusetzen: so könnt' ich deren fünffür dasselbe binden; indes namhaft kann ich die Kränze machen.

Der erste und größte ist derdaß das Kind meines Dafürhaltens überallrecht hat; besonders darindaß es den fichtischen Idealismus mit demapodiktischen Dasein fremder Mit-Ichsdas ihn gerade stützen sollumzubrechensucht. Indes kann sogar der Idealismusder sich zum Egoismus hinaufdestillierenmüssensich noch immer so mit der moralischen Welt abfinden wie mit dersinnlichen; - gegen Philosophie und die Nymphe Echo behält niemand das letzteWort. - Allein das Kindvon dessen Lorbeern ich so viel redehätte aufFichtens Elementargeistauf das absolute Handeln oder Actuosum Albinimehr mittheoretischernicht bloß mit praktischer Vernunft eindringen sollen; und ichwürde mich wunderndaß dieses wie alleswas mein unmündiger Infant gesagtnicht schon von mehreren erwachsenen gekrönten Köpfen als Jacobis seinemvorgetragen wordenwäre nicht bisher diese Philosophie selber mehr in denOhren als in den Köpfen gewesen. Im Reiche des Wissens kommt - anders als imphysischen - der Schall immer früher an als das Licht. Man lassedie fichtische Philosophie einmal heller und entwölkt dastehen1):so wird das nackte Eis dieses Montblancs allmählich unter wärmern Strahlenals seine sindweich und niedrig werden und den Himmel nicht mehr tragen.

Dasworaufwie ich sagtedas Kind mehr hätte bestehen könnenist dieses:der sozusagen idealische Idealismus Fichtes lebt und webt dergestalt imAbsolutendaß - da sich im Zentrum seines existierenden Universums die Existenzwie im Schwerpunkt einer Welt die Schweredurch dieBestimmungslosigkeit aufhebt - daß nun gar kein Weg mehr herein in dieEndlichkeit und Existenz geht (so wenig als rückwärts aus dieser ins Absolute)ohne die unermeßlichen dogmatischen SprüngeFlüge und Unbegreiflichkeitendie eben zu erklären warenaber hier erklären wollen. - Nur von der Seite derIndividuationsagt Jacobiist in den Spinozismus einzubrechen; das gilt auchvon der Wissenschaftslehre und von jeder Philosophieinsofern sie rein oderabsolut wäre; - was aber außer der des unendlichen Genius keine istweilunsere hellesten Laternen immer mit realistischen Eckhölzern Schatten werfenoder in einer dem absolutenempirischen und Nicht-Ich gemäßern Metapherweiljeder der drei Tönedie den Akkord erklären helfenschon einen insich trägt. - Allein eben der Fehlerdaß entweder der Schlußstein oder derBoden eines Lehr- und Luftgebäudes realistisch istmacht es unserem Sinne wahr.Durch Steftenstücke2)täuscht uns die Philosophie am besten.

Die zur Erklärung des Bewußtseins ertrotzte Ob-Subjektivität desIchs wird durch ein tertium comparationisdurch eine absolute Frei- oderIchheit begründet und gesetztder man als dem Grund des Denkens dieDenkbarkeitals dem Grund der AkzidenzenSubstanzen und Kräfte alles diesesals dem Grund der Existenz die Existenz (die sich zum absoluten Handeln verhältwie die Zeit zur EwigkeitDasein zur Allgegenwart) allgemein abspricht. Ja ichwürde dieser absoluten Ichheit - da es hier gar nicht mehr auf das Denkbareankommtweil wir schon die Kategorie der Kategoriendie höchste GattungdasSeinverlassen haben - dieser Ichheit würd' ichinsofern sie der Grundihres Grundes istauch diesen ableugnen; so daß zuletzt nicht sowohl nichtsübrig bliebe - das wäre zu viel und schon bestimmtweil nichts schondas Alles ausschließet - als unendlich weniger als nichts und unendlichmehr als alleskurz die Grundlosigkeit der Grundlosigkeit. (Man könnteallerdings von hier aus noch weiter und tiefer gehen; denn das Reich desUndenkbaren ist undenkbar größer als das des Denkbaren.) Mithin ist dasabsolute Ich (dieses unbestimmt Unbestimmendediese logische Nachgeburt undabsolute Mutter der Ob-Subjektivität)ich sage dieses Ichdiese vollendeteAntwort auf die heißeste ewige Frage des Menschengeistesist ganz diekühn-fixierte Frage selberoder das von allen Skeptikern gefodertealsovorausgesetzte anonyme Xdie letzteaber transzendente qualitas occulta jederqualitas occulta. Mit dieser Foderung des Grundes wird nun der Rest oder dieEndlichkeit leicht erklärt und begründet und sozusagen aus dem Durst so vielTrank bereitetals man vonnöten hat.

Wird der fichtische Gott - das absolutesich wie Erisichthon selberverzehrende und wie Christus selber auferweckende Ichdieses zwar unsabernicht seiner bewußte Bewußtsein des Bewußtseins - praktisch odermoralisch betrachtet: so ist es - damit die der Philosophie unerläßliche Einheitder Handlung bleibe - die Freiheitnicht unseresondern der Grund derunsrigen. Diese Freiheit der Freiheit setzte oder schuf das Notwendige (dasNicht-Ich)bloß um den Widerstand zu habenohne welchen ihr ein zweitesSetzen unmöglich wäre. Unglaublich schwer zu fassen ist dieser Kampf desAbsoluten ohne Existenz gegen die Existenzda zwischen beiden gar keinVerhältnis denkbar ist. Noch dunkler wird es um uns herwenn wir die Absichtund Natur des Kämpfens oder Handelns angebenwelche nichts ist als ein freiesHandelnbloß um frei zu handeln; nicht nur bei dem Heiligensondern auch beidem Bösewichtnur daß letzterer nicht auf die rechte Art (hier fehltetwas Unentbehrlichesund doch können wir nichts Fremdes hereinnehmen) freihandelt der Freiheit wegen. Der allerdunkelste Satz ist der Zweckbegriffdaßmit diesem absoluten Handeln die Freiheit - siedie nie freier sein kanndahernach dieser Lehre auf einen tausendjährigen Heiligen nicht fester zu bauen istals auf einen Neubekehrten - sich im Notwendigen oder Wirklichen realisierenwill durch Besiegung desselbendie aber in alle Ewigkeit noch etwas Unbesiegtesnachlassen mußweil mit dem völligen Aufhören des Widerstandes der jüngsteTag des Seinsdes Bewußtseins und aller Tugend und Laster anbräche und dasUniversum auseinanderführe. Dann wäre nichts mehr da; die nicht-seiendeAbsolutheit ausgenommen.

Leibgeberder Fichtianereben der Verfasser des folgenden Clavisschreibtmir darüber: »Die Wissenschaftslehre ist die philosophische Rechnung desUnendlichen. Ist man nur einmal aus der Region der endlichen und erklärlichenGrößen in die der unendlichen und unerklärlichen hinausgestiegen: so versiertman in einer ganz neuen weiten Weltin der man sich vermittelst der bloßenSprache - denn weder Begriffe noch Anschauungen langen herauf oder halten indiesem Äther aus - wie auf einem Fausts-Mantel leicht hin- und herbewegt; sodaß das Unerklärliche sozusagen ein Besen istüber welchen die Hexenachdem Volksglaubennicht wegschreiten kannauf dem sie aber hoch über der Erdedurch die Lüfte reitet.«

Der zweite Lorbeerkranzden ich meinem Kinde zurechtflochtohne ihm solchenaufsetzen zu dürfenistdaß es von mir gelernthöflich und hochachtend denHut abzuziehen vor dem neuesten philosophischen Ordensstifterder denGeisterglobuswie es Maupertuis für den Erdglobus vorschlugbis aufs Zentrumdurchgrub. Andere Polemiker hingegen als ich und mein Kind schonen lieber dasSystem als den Mann und entlehnen nicht ohne Verstand die Kriegslist von denRömernstatt des Elefanten lieber den Führer droben anzufallen. -

Sollt' ich daher dem idealistischen Orden zu viel zumutenwenn ich ihnbitteauch mich und das Kind höflich zu traktieren und - selber wenn er Vaterund Sohn zerhacktkauterisiertverschlacktverglaset und verflüchtigt - esstets mit jener Politesse zu tundie den Orden bezeichnet? - Himmel! Seit denXenien sind wir ja fast alle unter der Handwir wissen kaum wie - denn nichtsstecket schneller an -um grob zu redenganz grob geworden; und selber dieseBemerkung ist keine Widerlegung von derselben. Würde nicht diese belgischeUnart ohne Nachteil der Bitterkeit vermiedenwenn die Gegner mich bloß mit Lobbelegtenaber mit ironischem? Und sollt' ichs nicht verlangen dürfenda ichsie so oft mit ähnlichem überhäuftes sei nundaß ich den Asteismus dazunahm oder den Charientismus oder die Mimesis oder gar den Diasyrmus? -

Aus dem dritten väterlichen Lorbeerkranz kann dem armen Küchlein gerade einStrohkranz erwachsen; nämlich aus dem für Leibgebers Zusammenschütten des Spaßesund Ernstes. Inzwischen besteh' ich daraufdaß jeder Rezensent sein Laabmitbringewomit er die Mixtur wieder in beide Bestandteile reinauseinanderlaufen lässetund daß er Spaß verstehe und dadurch denErnst.

Einen vierten Kranz hatt' ich für die Offenheit zusammengelegtwomit dasKind vieles beim Namen nennt; z. B. den Idealismus heißet es häufig Idealismus.Die besten Köpfe des obigen Ordens nehmen sich gegen das große Publikum stattder dürftigen Freiheit ihrer Vorfahrenalte Ideen für neue auszugebendiereichere herausneue für alte anzukündigen und andere alte in deridealistischen Sprache vorzutragen. Ich wünschte einmal nur eine Stunde langdas mit den neuern Systemen unbekannte große Publikum zu seinum nur zu wissenwie mir das idealistische Zuckerwerkdas in den Formen und Farben aller derbenViktualien des realistischen Menschenverstandes herumgegeben wirdschmeckte undbekäme. Halb würd' ich dannglaub' ichbei dieser neuplatonischenerstchristlichenjapanisch-jesuitischen Akkommodation die Sachen ganz falschund in meinem realistischen Sinn und mithin andersals der Autor begehrteverstehenund halb würd' ich unbeschreiblich konfus dasitzenim Finsternlesendund mich doch weiter fort marternweil der Autor - halb verfinsterndhalb auffliegendgleich dem Dintenfischder durch beides den Feindenausbeugt - durch sein moralisches Feuer das meinige in Anspruch nähme - - Neinnicht eine halbe Stunde lang wollt' ich das Publikum seindas dasitzt undverdrüßlich flammtnoch aufpassend wofür.3)

Aber den fünften Lorbeerkranzden ich für meinen guten Nestling undDauphin gepflückt und gewunden - die fünfte und schönste Kroneso wie sonstder König von Polen fünf Kronen hattewovon die fünfte die der Königin war-diesen will ich ihm hier vor der Welt wirklich auf den Scheitel legen undüber die Schläfe hereinziehen; ich will den Neugekrönten dir widmen unddedizieren

geliebter Friedrich Heinrich Jacobi!

Er sei dir zugeeignetwie mein Inneres schon so lange dem deinigen. Unseregeschriebenen Briefeweißt dusind nur die Nachfahrer unserer gedruckten; jaich habe dich früher oder länger geliebtHeinrichund weit gründlicher.Denn aus deiner Hand empfing ich die von der Schönheit damaszierte Waffeander die gegen das Leben gezuckten Zergliederungsmesser der Zeit zerspringen.Wenn der Dichter ein Augewie Polyphemmitten auf der Brustund derPhilosoph eineswie die Seligen in Muhammeds Paradieseoben auf demWirbel hat und ins Blaue sieht wie jener ins Tiefe: so hat der rechte Menschzwei Augen zwischen der Stirn und der Brust und sieht überall hin. - -Und darum lieb' ich dich immer so fort; aber warum hab' ich dich denn noch nichtgesehenmein Heinrich?

Weimarden 7. März 1800.

Jean Paul F. Richter.

Protektorium für den Herausgeber

Ich muß mir hier selber eines ausfertigenum nicht von meinen Freunden somißverstanden zu werdenals ob ich mich durch die Herausgabe des folgendender Wissenschaftslehre so günstigen Clavis Leibgeberiana nun auch zu denFichtisten schlüge. Daher schick' ich dem Clavis einen Privatbrief vomVerfasser und einige Exercitationes über das Philosophieren insgemein gleichsamals einen Eisbock vorausum den ersten Stoß seines Systems zu schwächen. Willmich einer dann noch unter die Wissenschaftslehrer werfenso versuch' ers; abermein Mann ist er nicht.

Der Übertritt meines gutenwohl jedem Deutschen aus meinen »Blumenstücken«bekannten Leibgebers zur Wissenschaftslehre ist eine ganz natürlicheEntwickelung seiner seltenen Natur. Die Fichtisten Schlegel machen deswegen imAthenäum so viel aus seiner Denk- und Schreibart - aus jeder andern aber inmeinen Werkenz. B. aus meinerwenig -; wahrscheinlich war er schon damalsverdorben und mein Renegatund beide kannten ihn vielleicht persönlich. Nacheinem alten Brief aus Blitzmühl - ich weiß nichtwo das Nest liegt - hatt' ersich anfangs hingesetzt und Fichten studiertaber bloß um nach seiner Artdarüber zu spaßen. Allein ich seh'es erging ihm in der Folge wie demRotterdamer Bürgersmann Bredenburg1)der den Spinozaum ihn gründlich zu widerlegenin eine demonstrativeSchlachtordnung stelltesich aber unter dem Stellen unversehends vom Judenfestgehalten und überwältigt sah. Spuren seines ursprünglichen VorsatzesdieWissenschaftslehre lächerlich zu machenschimmern noch überall im Clavisdurch; und sooft er auch darin zu einem ihm schwerenernstennüchternen Stilausholt und ansetztso stellet er doch bald wieder (nach seinem kurzweiligengrotesken Naturell) alles in ein so komisches Lichtdaß er einfältige Leserordentlich dumm macht.

Hier ist sein Handschreiben; dann kommen meine Exercitationes.

*

Hamburg.

»Auf dem Dreckwalle No. 46 bei Herrn Samson Herzdem ich zwei Punschgläserabgenommenmuß deine Antwort an michlieber Biographabgegeben werden unterder Adresse: an S. T. Herrn S. Ich komme eben aus der gefolterten hagernSchweizder man jetzo selber Bernhardshunde schicken sollte; denn diegallischen Schirmer und Retter2)haben sie bis auf die Knochen abgezauset. Wenn man mit der Fünf-Herren-Leiche3)der Freiheit ein paar Gassen mitgezogenso verflucht man am Ende alles. Dasganze Jahrhundert ist ein Wettrennen nach großen Zielen mit kleinenMenschen. Indes mag der allgemeine Wettlauf nach Wahrheit und Freiheit doch aneinen ähnlichen reichenden ich mehrmals in Greenwich gesehenwo MatrosenKämmePfeifenköpfeTaschenmesser etc. aufs Spiel setzen und vorher zwei -Läuse auf den Tisch und dann ängstlich abwartenwelche Laus - ob die Rennerindes Gegners oder die eigne - zuerst den Tischrand erlaufe.

Ich wettrenne seit einigen Wochen auch mit; und habe in Bern (um nur denJammer und Quetschwunden unter der herübergestürzten gallischen Lauwine nichtlänger anzusehen) tief philosophiert und beiliegenden Clavis im Feuer gemacht.

Ein gewisser Professor Schad sollwie ich höredie Goldbarrenmeiner Wissenschaftslehre für das Volk ausmünzen. Sag ihmer verbinde mich.IchFichtedie SchlegelSchellingHülsenSchad und Studenten können daskritisch-fichtische Dintenfaß - wie Luther seines gegen den Teufel - gar nichtoft genug an der Wand ausleerenwenn das Scheibenschwarz so wenig darauswegzukratzen sein soll als das noch haftende Luthersche. Noch haben wir nichteinmal 30 000 Zuhörer; und doch liegt der große Johann Dunsder gerade soviele in Oxford hattemit seiner Philosophie unter und im Staub und ist Staub.Ich gedenke aber noch die Zeit zu erlebendaß meine FichtischeWissenschaftslehre von Nachtwächtern (statt der historischen Epochendie manihnen abzusingen angeraten) vorgetragen wird - und in Kalendern für dengemeinen Mann - in Spaßpredigten am Ostersonntagdie noch in Spanienexistieren - in Speisepredigten in Refektorien - in gut dazu eingerichtetenKomödien4) - und sogar vonKempeles hölzernen Schach-Türkender mit seinem Stäbchen geschickt auf diedazu erfoderlichen Lettern weisen mag. - Eine schwache und wohlverdienteBelohnung für den Philosophender den ganzen Tag sich lebendig anatomiert und- wie man besondere Hunde für die Experimente in der Hundsgrotte hält -zugleich die Grotte und sein eigner Hund istden er stündlich in der Todesluftdes Idealismus erstickt und in der gemeinen Lebensluft des Realismus erweckt.

Die Vernunft als solche kann wie der Träumerwie sie auch sich plage undkneife und vom Träumen träumenicht aus sich heraus; sie kann wie dieLuftröhre in sich nichts Fremdes leidenLuft (WortGeist) ausgenommen. Esmußte also nach dem zermalmenden Kantder noch große Stückewie dieDinge an sichübrig ließder vernichtende Leibgeber aufstehen (dennob ich Fichten moralisch postulieredas wird sich im Clavis zeigen)der auchjene verkalkte und nichts stehen ließ als das weiße Nichts (nihilumalbumwie die Chemiker den feuerbeständigen Zinnkalk nennen)nämlich dieideale Endlichkeit der Unendlichkeit. Brächte man auch jene gar weg (undFichte gibt einen Wink dazu5)): sobliebe nur das schwarze Nichts übrigdie Unendlichkeitund dieVernunft brauchte nichts mehr zu erklärenweil sie selber nicht einmal mehr dawäre; - das erstdünkt michwürde der echte philosophische Fohismus seinnach welchem sämtliche Schulen und wir alle so ringen.

Nimm hier den Anfangden Bart meines ClavisBiographund gib der Welt denSchlüssel. Ich bin darin nicht sowohl darauf ausgelaufendie Beweiseals die Resultate meines Leibgeberianismus solchen Leserndie in meiner»Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre«Leipzig 1794 bei Gablerund indem schwürigern »Grundriß des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre«ebendaselbst 1795weder aus noch ein wissen - und vielleicht vom halben weiblichenGeschlecht kann man annehmendaß es mich nicht kapiert -in der leichtenwechselnden Form eines Wörterbuchs6)wie die kantianischen sinddarzureichen und aufzuhellen.

Nur einen wichtigen Beweis führ' ichobwohl implicite. Indem ichnämlich die Resultate konsequenter und so stelledaß sie dem sogenanntenMenschenverstand eigentlicher echter Wahnsinn sind: so zeig' ich wahren gebornenPhilosophenwas sie aus dem leider so allgemeinen Menschenverstandder sieewig vexiert und pfetztzu machen habensobald er imstande istein so festgewölbtes Lehrgebäude zu einem Irrenhause zu verrücken. Er fällt nun inihren und meinen Augen gänzlich zu einem negativen Probierstein der Systemeherabso daßwas er nicht für toll erklärtuns nicht rein philosophischist - nur umgekehrt gilts nichtund ein Gedanke kann sehr toll seinohne darumvernünftig zu sein; - wir akzeptieren daher recht gern Ciceros Lob: es seinichts so närrischwas nicht einmal ein Philosoph verfochten hätte; nur mußer erlaubendaß es bloß von unsern Tagen der philosophischen Vollendunggelte. Ebenso bemerkt Wendebornin England wäre zugleich die meiste Vernunftund die meisten Tollhäuser; und so sind Falken nur so lange zur Beize zugebrauchenals sie die Verrückung behaltenin die man sie durchSchlaflosigkeit gezwungen hat.

Und damit gut! Wenn mein Schlüssel sich nicht ab-sondern das Uhrwerkaufdrehtwill ich ihn lebenslang tragen als KammerherrnschlüsselLöseschlüsselDieterich u. dergl. -

Gehab dich wohlBiograph! Mein fichtischer papierner Dracheden du nun indie anti-fichtische Wetterwolke auffahren lässestkann dirweil dudarunterstehst mit der Schnurein paar Donnerschläge auf den Scheitelzuwenden; stecke sie ein! - Apropos! Entsinnest du dich keines stämmigenMenschen mit einem Hinkfuß und einer seitwärts-geschneuzten Naseder dich inWeimar besuchte und gleich beim Eintritt sagteer sei begierigden Mann vonPerson kennen zu lernenden man immer so falsch in Kupfer gestochen? Sinn nach!Die Noblesse schiffte gerade unten vor deinem Eckhause in einer langenSchlitten-Linie vorbeiund du sahest der Kälte wegen durchs Fensterglas mitdem Augenglas. Fällt dir nicht eindaß ein Hinkfuß auf deinem wie dasJahrhundert fast 6 Oktaven langenaber doch erbärmlichen Klaviere trommelteund daß er das Gleichnis machte? Sagt' er nichter komme direkte aus Jena undhabe da nicht bloß die alten septem miracula Jenaeden FuchsturmdasWeigelsche Haus etc.sondern auch die neuen ebenso großen besehen? Undlenktest du nachher nicht das Gespräch auf die Charaktere in deinen Werken undhobest aus ihnen gerade Leibgebers seinen preisend heraus und schwurest demHinkfuß bescheiden (freilich sollte dadurchhofftest duein besonderes Lichtauf dich als Maler fallen)du würdest dich ordentlich scheuen und bücken vordem prächtigenfreienkecken Charakterwenn er vor dir stände? -

Ich war der Fuß.

Leibgeber.«

*

Über dieses alles verlässet mein Gedächtnis mich ganzund es gehöretauch nicht hieher. Ich gebe daher ungesäumt

die Exercitationes über das Philosophieren insgemein.

Gerade die Stelle in Leibgebers Briefewo er die Hoffnung verrätuns durcheinen strengern Beweisdaß seine Lehre Wahnsinn seifür diese zu bestehenund zu werbenmacht meine Entschuldigung der Herausgabe aus; denn eben dieserBeweis verjagt uns aus seinem Lehrgebäude. Sobald eine doppelte Evidenz in unsrichtet und leuchtetdie Evidenz des Sinnes und die der Vernunft;- und sobald mans durchaus wie ein Zwitter machen mußder bei befundenemGleichgewichte seiner Geschlechter eines davon nach den Rechten abzuschwörenhat: so schwör' ich hier das schwächere abdas nichts zeugt.

Aber beim Himmel! es ist gar nicht nötig. Hätte nur irgendein Mann eindünnesaber herzliches Buch darüber geschriebenwie mißlich und leer dasmetaphysische Differenzieren und Integrieren bloß darum seiweil es durchauspolnisch oder deutsch oder in irgendeiner Sprache geschehen müsse: so wärenwir Philosophen insgesamt aufs Trockne gebracht und sähen Land.

Denn ich meine so:

Unsere Sprache ist ursprünglich bloß eine Zeichenmeisterin der äußernWahrnehmungen; die spätern innern empfingen von ihr nur das Zeichen desfrühern Zeichens; daher machen die Quantitäten - diese einzigenphysiognomischen Fragmente der Sinnenwelt - fast den ganzen Sprachschatz aus;die Qualitäten - mit andern Worten die Kräftedie Monaden derErscheinunguns nur im Bewußtseinnicht im Begriff gegeben - diese Seelenwerden immer nur in jene Leiber der Quantitätend. h. in die Kleider derKleider gehüllt. Wäre nur die Sprache z. B. mehr von der hörbaren alsvon der sichtbaren Welt entlehnt: so hätten wir eine ganz anderePhilosophie und wahrscheinlich eine mehr dynamische als atomistische. Endlichmuß jedes Bild und Zeichen zugleich auch noch etwas anderes sein als diesesnämlich selber ein Urbild und Dingdas man wieder abbilden und bezeichnen kannu. s. f. Wenn nun der Philosoph seine Rechenhaut aufspannt und darauf dietranszendente Kettenrechnung treiben will: so weiset ihm die bloße Sprache dreigewisse Wege ansich zu - verrechnen.

Der älteste istdie Qualitäten zu Quantitäten zu machenum diese Leiberund Substrate der Kräfte summieren und differenzieren zu könnenwie dieatomistische Schule und die Enzyklopädisten taten. Der Rechner erpresset durchdiese Verwandlung der Seelenlehre in Größenlehre - ähnlich der HallerschenVerwandlung der Physiologie in Anatomie - ein mathematisches Fazitwelches demästhetischen gleichtdas herauskämewenn man ein Gedicht wöge und mäßestatt es durchzulesen. Z. B. die einzige optische Metapher Ein-VorbildenAnschauenIdeeBild hat um die geistige Tätigkeit einenatomistischen Nebel und Dunst gezogenden uns eine akustische ersparethätte.

Der zweite Wegsich zu verrechnenist derdaß der Rechner die Quantitätzur Qualitätden Körper zum Geiste zu destillieren und hinaufzutreiben sucht;da er aber dazu nie gelangennicht einmal approximieren7)kann; und da die philosophische Dynamik nichtwie die mathematischeQuantitäten - z. B. die Kraft den durchlaufnen Raum - zu Exponenten haben kann:so schleicht der Rechner entweder auf den ersten Irrweg zurückoder er weisetbald eine ausgeblasene hohle Quantität hervorum weiter zu rechnenzuschließen und zu bindenbald eine Qualitätum zu setzeneinewahre Bilderschrift wie auf alten Mundtassenhalb Buchstabenhalb Malereieneine taschenspielerische Nachahmung der generatio aequivocahalb atomistischhalb dynamisch. -

Das verwandte dritteaber beste Kunststück istdas Gold des Wirklichendünn und breit zu schlagenum es durchzusehen. Da nicht in der Sprachewie in der MathematikIdentität des Zeichens und Objektes stattfindetja dadie Worte nicht einmal Schattenbildernicht einmal fünf Punkte vom Objekte -denn diese geben doch etwas von der Sache -sondern willkürlichenichts malende Schnupftuchsknoten der Besinnung sind: so ist für denPhilosophender immer das Ei früher ausbläset als ausbrütetdie Sprachegerade ein unentbehrliches Werkzeug. Die Welten des Wirklichen (in und außerihm)die er erklärt durch Einschmelzung in eine unerklärlicheschatten sich in der Vorstellung1)nur als Kreise der vorigen Kugeln ab; und diese Kreise oder Vorstellungenwerden wieder Punkte oder Zentra in der Sprache. DiesePunktierkunst mit Atomendiese logische Algeber heißet nun Philosophie; d. h.vom Strahle des Wirklichen entwirft die Vorstellung einen treffenden Schattenriß- dann wird sie von allen spezifischen Verschiedenheiten so lange ausgeleertdaß sie schon mehrere Objekte aufnehmen und man z. B. den Geschmack als einenfeinern Geruch oder umgekehrt definieren kann - dann fährt man fort und machtsich Begriffe aus Begriffenbis man so weit istdaß das ganze Universum nunmit allen seinen Kräften und Farben bloß durchsichtig als ein weites luftigesNicht-Ich dasteht - dann braucht man noch einen Schrittso ist auch sogardieses Nicht-Ich vom Ich nur im Grade wie »Finsternis vom Licht«2)verschiedendas Angeschauete ist die Anschauung und diese das Anschauende oderIch - und dann ist das weite Karthagodie unendliche Stadt Gotteszugeschnitten aus der Haut des Ichs.

Da wir jahrelang mit vollen Wörtern uns erinnern und phantasierensomerken wir es nicht sogleichwenn wir mit leeren denken; etwan wieDarwin behauptetdaß einerder lange die gefüllte Pfeife im Munde gehabtesim Dunkeln nicht sogleich würde innenwerdendaß er sie ausgeraucht.

Jetzt muß jeder sich mit Philosophie versorgen zur Wehre gegen Philosophiemit einem angespiegelten Basilisken zur Falkenbeize des dastehenden. Aber dierichtige Philosophiewie die Jacobischeweiß und bekenntdaß die Vernunftein Danaiden-Filtrum seidas zwar den Trank reinigenaber nicht schöpfenkannund daß sie nurwie Herder sagtvernehme und also bekommefindenichterfinde. Allein dem Menschen ist das Erklären und Benennen geläufiger als dasBesinnen und Wahrnehmenund dieses leichter als das Ahnendieses genialischeWahrnehmen. Es gibt Wahrheiten (und das sind die wichtigern)die weder der Kopfnoch das Herz aufschließet - alleinsondern beide zusammen; am Pol macht die Kälteunter der Linie die Hitze blind.

Auffallend istswie wenig selber der Philosoph sich der bloßensyllogistischen Kette anvertrauewenn man die sonderbare Beobachtung machtdaß er sie oft auf fremde oder auf eigne Autorität annimmt. Man soll michsogleich verstehen. Lange Rechnungen lässet der Mathematikerso gewiß auchdas Einmaleins istvon andern wiederholenum gewisser zu seindaß ersbeobachtet hat; oder er wiederholt selber. Der Wildeder nicht über die 10Finger hinauszähltmüßte schon bei der Berechnung des Einmaleins zurHypothek der Wiederholung greifen. - Ferner: Fichte sagt in seiner Einleitung indie Wissenschaftslehrees sei doch möglichdaß er irreund dahergeb' er sie der fremden Prüfung hin; d. h. die Richtigkeit des logischenEinmaleins versichert nicht die Richtigkeit seiner Anwendung. Der schwacheabervernünftige Kopf muß ein kleineres Vertrauen auf seine Anwendung diesesEinmaleins als auf die fichtische setzen und also dieser gegen seine glauben. -Ebenso vertrauet weiter der Philosoph und der Mathematiker dem großen ChemikerHistoriker etc.; und - zum Beweisdaß nicht das Historische der Wahrheit denUnterschied mache - ebenso diese jenen. - Endlich kann zwar ein genialischerScharfsinn sich an seiner Schlußkette über das Nein eines ganzen Weltteilswegsetzen; aber dieses Vertrauen - nicht auf seine logische Regeldenn diesehat er mit dem Weltteil gemeinsondern - auf die Anwendung dieser Regel kanndoch nur auf einem Schluß aus einem Faktum ruhendaß er nämlich größereKräfte habe und ein herrlicher Kopf sei; und er ist also seine eigneAutorität.

Was ergibt sich aus diesem allen? Erstlichdaß die logische Evidenz ersteine andere über ihre Anwendung (auf Gegenstände) bedürfe - Zweitensdaßda wir bei der sinnlichen und bei der moralischen Evidenz Autoritäten nichtbegehrensondern sogar überwindendie logische den beiden andern wohlabborgenaber nicht nachhelfen könne - Drittensdaß dieWahrscheinlichkeitsrechnung und Hoffnungmehrere werden eher die logische Regelerfüllen als einer3) (da dieMehrheit an und für sich bloß die Wiederholung des Irrtums setzen würde)oder die Hoffnungdie größere Denkkraft wende bei gleicher Regel diesegewisser an - daß diese Wahrscheinlichkeitsrechnungsag' ichin dermenschlichen Natur unbewußt einen angebornen Glauben an eine höhereWahrhaftigkeit hinter den Wolken unsers Dunstkreises und unsers Gehirnesvoraussetztwelche sich uns wie all' ihr Gutes und Frohes ewig in der Regelund nicht in der Ausnahme offenbaret. -

Ich kehre zurück. Je gemeiner und dürftiger die Seele istoder je jüngerdesto froher und leichter zieht sie in ein Lehrgebäude hineinstaunend überdas allgemeine Licht darinbloß weil sie da erst durch die Zeichen die Sachenerst durch die Schlüssel die Rätsel kennen lerntanstattumgekehrt. In leeren öden Köpfen hat die Vernunft den geraden Gang leichterso wie nur leere Arterien in Kadavern gerade laufen. Hingegen warnie ein reicher Kopf der Planet oder die Nebensonne eines andern reichen - erhatte an seinen eignen dunkeln Welten genug zu beleuchten -; aber leichtdessen Reisegefährte auf dem konzentrischen Umlauf um die Zentral-Sonne.

Je länger ein System lebt - ich habe eben das kantische im Kopf -destoleichterbeweglichermechanischer und faßlicher wird esund also destoerbärmlicher seine LeibeigneKuranden und Panisten; das tiefsinnigste Systembei Jahren kann man ohne allen Tiefsinn handhaben und abbeten; indes seineersten Jünger und Apostel immer Leute von Geist sind. - Zuletzt wird einersystematischen Gilde - ich darf wieder die kritische nennen -diesen Regentenund Nabobs über 2000 Vokabeln4)jede andere Sprache (als ihre lingua franca) gänzlich unverständlich undmithin jede Anschauung unzugänglich. Daher beschweren sich die Hesychasten oderdoch Rhinopten5) unter ihnen sowahr über die poetische Dunkelheit von Werkendie nicht so klar sind als diekantianischen (nicht die kantischen); und in der Tat dürfen Starpatientenklagendaß sie die Starnadel nicht zu sehen vermöchtensowenig als den Okulisten. Von der andern Seite sollten sie aber mit Dankerkennendaß ihnen die Natur wie den Katzen6)noch ein drittes Augenlid verliehendas sie gegen das Tages-Licht vorfallenlassenum den Apfel für die Nacht zu sparen. - -

Dieses kurze Protektorium isthoff' ichfür meine Freunde lang genugummich von dem Verdachte reinzuwaschenals ob ich mit der Edition des Clavis denFichtianismus mehr begünstigen wollteals ein Philosoph meiner Gattung darf.Gleichwohl erquickt es michdaß mein Leibgeberda er einmal ein Fichtianeristes im vollsten freiesten Grade ist; wer kann und willkann sich davonüberzeugenes sei daß er den Clavis mit den Zitaten aus Fichte zusammenhalteoder kürzer mit Jacobis Darstellung des Spinozismus - aus welcher durch einkleines Rochieren und Versetzen des ens reale7)der Teil der Wissenschaftslehre zu entwickeln istin den die praktischeVernunft noch nicht mitspinnt und eingesponnen wird - oder leichter mit NeebsAbriß der Ichs-Lehre8). - Aberwenn solche Männer wie Leibgeber und viele transzendente renommistischeJenenser zur Wissenschaftslehre schwören: dann ists Zeitaufzumerkenwie vielUhr es sei.

Wahrlich es ist Zeit zu ahnenwelcher unauflöslichen schwärmerischenSprachen- und Gedanken-Verwirrung wir zutreiben. Der höhere - als Kunstwerkunsterbliche und genialische - Idealismus Fichtes strecket seine Polypen-Armenach allen Wissenschaften aus und zieht sie in sich und tingiert sich damit. -Der Hylozoismus in der Physik und Chemie der einen Fichtianerdie das vom Ichnur im Grade verschiedene Nicht-Ich durch den Organismus beseelenindes dieandern den Geist in physische und galvanische Erscheinungen oder Metaphernverkörpern - die Vergötterung der Kunst und Phantasieweil die Bilder derletztern so reell sind als alle ihre Urbilder - das poetischekeinen Ernstunterlegende Spiel und die Ertötung (statt Belebung) des Stoffes durch die Form- die jakob-böhmische Bilder-Philosophie9)worin wie in den gotischen Kirchen durch Übermalen der Fensterscheiben eineerhabene Dunkelheit entstehen soll - die mehr dichterische als philosophischeToleranz für jeden Wahnbesonders für jeden abergläubigen der Vorzeitjadas dichterisch spielende Glauben an ihn und oft an die Wahrheitum das ernstean diese zu umgehen - der malerische Standpunkt für alle Religionen10)wie ihn der Dichter für die mythologische hat und der Maler für diekatholische - die stofflose formale Moralwelche der Sonne einiger älternAstronomen gleichtdie bloß mit ihren Strahlenohne wechselseitige Anziehungskräftedie Erden um sich lenken soll - und der moralische Egoismusder sich mit demtranszendenten mehr verschwägertals der edle Fichte errätda jener wiedieser nicht weiter zählt als bis einshöchstens bis zur Dyadiknämlich zumSich und Nicht-Sich oder dem Teufel - - - was sagen alle diese Zeichen uns anals daß der Schnee auf so vielen und so hohen Bergen (denn die 12 Jünger desneuesten Idealismus sind keine 72 kantischensondern vortreffliche Köpfewieüberhaupt dieses Systemwenigstens in diesem Jahrhundertschwer nachzubetenist) jetzo schmelze und daß die Waldwasser herabrinnen zu einer weitenallesins Schwanken bringenden Sündflut? -

Wahrlich wenn man bei solchen Gefällen dieser Gewässer nur ein wenigberechnetwelche ungeheuren Zuschüsse und alles erfassende Strom-Arme diesesSystem durch die unabsehlichen Kombinationen der ChemiePhysikÄsthetikMoral und Metaphysikdes Brownianismus und Galvanismus und der Metapherngewinnen müsse11): der kann sichwenn er ein Neptunist istnur trösten durch das Schicksal ähnlicher Flutendie am Ende doch versiegten und nichts zurückließen als eine neue keimendeWelt.

Auf die Zeitauf ein ewiges Ich in unsauf ein ewiges Du über uns müssenwir hoffen. - Lieber machen wir abgesprungne Erden-Splitter der unendlichenSonne den Wahn der ältern Astronomen wahr. Wie diese den blauen Himmel für einKristall-Gewölbe hielten und die Sonne für eine rückende Öffnung darandurch die der Feuerhimmel lodere: so sei uns die Vernunft oder das lichte Ichkeine selbstschaffende ziehende Sonnesondern nur eine lichte Ritze und Fuge amirdischen Klostergewölbedurch welche der ferne ausgebreitete Feuerhimmel ineinem sanften und vollendeten Kreise bricht und brennt. -

Clavis

§ 1

Was ist Wahrheit? Diese Frage warf ich im Klosterhofnicht in derKlosterbibliothek zu Prag aufals ich da im Passionsspiele den Pontius Pilatusmachte; es verdroß mich aber den andern Tagdaß ich (meiner Rolle gemäß)fortgegangen warohne anzuhörenwas der Prager darauf versetzteden ichgeißeln und kreuzigen ließ. Jetzt lass' ich den Prager Prager sein. Denn daich nach meiner Wissenschaftslehre doch nichts von ihm erfahren kann als meineeignen Diktata; und da ich der Pilatus und der Gekreuzigte zugleich bin (§9)ja sogar der Vater des Letztern (§ 3-6)nämlich die unbedingte und unendliche Realität selber: so enthalt' ich alsUnendlicher alle Wahrheiten in mirund vor dem Enthalten mach' ich sie erst1).Die Wissenschaftslehre beweisetdaß ich das könne; und wenn ichs kannsokann ich die Wissenschaftslehre selber setzen und machenwelches einreinvollendeter Zirkel ist.

§ 2

Zirkel. Alle Zirkelschmiede und Sphärometernämlich die Philosophenbeschreiben in ihren obersten Grundsätzen stets einen Zirkel; ihre Systemezeichne ich gern wie die Architekten in ihren Baurissen die Abtrittenämlichals einen Kreis mit einem Zäpfchen. Dieses Zäpfchen ist am Zirkel derWissenschaftslehre die praktische Vernunft2).Jede hat ihr Zäpfchen als Handhabe.

§ 3

Ichabsolutesreines. Siehe Aseitas.

§ 4

Immanentes Noumenon. S. Aseitas.

§ 5

Causa suiabsolute Freiheitunbedingte Realität. S. Aseitas.

§ 6

Aseitas. Diese und absolutes oder reines Ich (§3) und unbedingte Realität (§ 5)und immanentes Noumenon (§ 4) sindSynonymen der Gottheit. Der Himmel - welches ich bin - gebedaß ich faßlichwerde. Die Vernunft fodert ein unbedingtes Seineine sich selber setzended.h. unendliche Realitätderen Produkt jede endliche ist. Die Landpfarrer nennendieses ens reale ganz recht Gott den Vater und fehlen nur im Ort. Die Vernunftkann als unbedingt die absolute Realität - ihre Tochter - doch nirgends suchenals bei und in der Mutterd. h. in sichim reinenunbedingt kausierenden Ich3).Setzet man das Kind außerhalb derselbenso macht man es zur Mutter seinerMutter; und man verpflanzet und verteilet die Form und die Materie des Erkennensin zwei abgesonderte Wesenwelches absurd.

§ 7

Empirisches IchIch schlechtwegintelligentesbewußtes IchSubjekt.Das unendliche (reine) Ich ist als solches kein endlichesalso kein bestimmtesalso noch kein Etwasnichts Existierendes. Um nun doch ein Etwas zu seindarfes nicht es selber bleiben. Aber da alles Sein vom reinen Ich entspringtmithinauch das »Nicht es selber sein«: so muß es sich selber als solchesentgegensetzen aus absoluter Kausalität; dadurch wird es bestimmt (beschränkt)und erscheint als endlicheswirkliches Ich und stellt sich etwas vor.

§ 8

ObjektNicht-IchAusdehnung. Vorstellen setzt ein Vorgestelltes nichtvoraussondern zugleichdas (empirische) Ich ein Nicht-Ich oder Dudas Sub-ein Objekt. Dieses Vorgestellte nennen nun die Beichtkinder der gedachtenLandpfarrer die Erdedie Weltdie Schöpfung; die Kantianer nennen es dieErscheinungen.

§ 9

Idealismus. Dergleichen istscharf gesprochender Ficht- oderLeibgeberianismus nicht. Aber den Leibnizianernden Kantianern und denInfluxionisten geb' ich ihn keck schuld.

Die erstern machen durch die Harmonia praestabilita die Monade zum Spiegeleines Universumsdas aus Spiegeln besteht; die isolierte eingesperrte Monadeentwickelt ganz aus sich das Nicht-Ichdas außer ihr als solches nichtexistiertsondern wieder als ein Ich.

Die Kantianer tragen den Raum oder Behälter in sich und mithinwas darinliegtsämtliche Natur; alleswas wir von dieser haben und wissenwird in derProduktenkarte oder Bruttafel ihrer Kategorientafel ein einheimisches Gewächsunsers Ichs: wozu nun noch die ganz müßige unsichtbare Phönixasche der Dingean sich? -

Endlich werf' ich sogar den Influxionisten und Realisten kühn genug vordaß sie keine sind. Denn da sie und uns Erklärer alle weniger der Grund des Seinsder Welt - der gar nicht zu vermitteln ist - als der Grund ihrer Ordnungdrücktund da sie diese als die Absicht und Ursache früher setzen müssen alsdas Gewirkte: so schieben sie den Idealismus nur ins Unendliche hinaus und inden Unendlichen hinein.

Fichte nennt zwar das Realisieren des Nicht-Ichs einen materialen Spinozismus4);mithin wäre sein Idealisieren desselben der ideale - und daher nennt Jacobiunsere Wissenschaftslehre eine Umkehrung desselbenwiewohl man sieebensogut dessen Metastase heißen könnte -; aber man werde doch nichtirre. Nicht-Ich und Ich oder Objekt und Subjekt sind Wechselbegriffebeide sinddie gleichzeitigen Zwillinge der Aseitätdie Selbst- und Mitlauter5)in der absoluten Luft6) oderIchheit.

Folglich existiert mein Geist (Subjekt)den mein reines Ich geschaffennicht mehr oder anders als die Weltdie ichdamit er etwas anzusehen habedazu gemachtund jener und diese überleben einander keine Minute. Daher hatFichte mit gutem Vorbedachte die leere Deklamation über seine lange Dauer7)nur als Appellant ans Volk gemacht. Denn er (absolut gedacht) hat zwar Himmelund Erde und alles geschaffenaber auch Fichten als Beschauerund mit jenenverginge also dieser; was übrigbleibtist sein reines Ichbei dem ja aberwie er aus der von mir oder ihm erfundenen Wissenschaftslehre recht gut weißweder von Dauer noch Sein die Rede sein kannso wenig als von Breite oderSchwere.

§ 10

Höchste Höhe der Reflexion. Auf dieser glaub' ich die Füße zu haben;was unten am Fuße meines Piko stehtist mir nicht einmal verächtlich undkleinsondern gänzlich unsichtbar.

Mein absolutes Ich»das sich selber schlechthin gleich istund in welchemalles ein und dasselbe Ich istund worin nichts zu unterscheiden istdenn esist alles und nichtsweil es für sich nichts ist«8)- dieses Ichdas Robinet9) unterdem Namen Gott ziemlich rein beschreibtnämlich ohne VerstandVernunftWilleBewußtseinschafft sich erstlich zu einem empirischen umdas allesdergleichen hat - es selber bleibt dochwas es istdenn als Leibgeber bin ichendlichund nur als Schöpfer dieses Leibgebers bin ich unendlich - undzweitens zur ausgedehnten Welt..... Hier wird nun die Höhe so schwindelnd unddünnluftigdaß keine Begriffe10)mehr zu- und nachreichensondern wir müssen mit und an der bloßen Spracheohne jene weiter hinauf zu kommen suchen. Wer nun mit mir der bloßenvonBegriff und Anschauung freien Sprache mächtig istder kläret sich dadurchzwei Ewigkeiten aufdie einewelche das absolute Ich zubringt durch Werdenoder unbestimmtes Handeln ohne Sein und die zweitedie es gleichzeitigaberdurch Sein11)obwohl endlichführt. Und ohne diese Sprache der höchsten Reflexion ist auch das Setzen einesNicht-Ichs und Ichs oder das eigenhändige Einschränken des absoluten um nichtsbegreiflicher als die so oft getadelte Schöpfung aus nichts. Diese absoluteFreiheitdie sich selber einen Widerstand (die sinnliche Welt) erschafftweniger um zu handeln (denn das Erschaffen ist auch Handeln) als um gegen denWiderstand zu handelnweil jedes Handelnausgenommen das schaffendeeinenWiderstand voraussetztliegt nicht mehr in unserem Denk-sondern bloß inunserem Sprachvermögen.

§ 11

Vernunft. Diese kennt keine Geschöpfe als ihre; ihr Sehen istnicht bloß ihr Licht - wie die Platoniker schon vom körperlichen Augebehauptetendaß es alles durch sein Ausstrahlen seheund die Stoikerdaß esdadurch die Finsternis12) erblicke- - sondern auch ihr Objekt; so daß ihr Augeindem sie es zumtranszendenten Himmel aufhebtsofort daran steht als Gott oder Sternwie derSextant des Tycho de Brahe von Hevel an den andern kam als Sternbild neben dengroßen Löwen.

§ 12

Leibgeber. »Es frappiert mich selber« (sagt' ichals ich mein Systemwährend eines Fußbades flüchtig überblickteund sah bedeutend auf dieFußzehenderen Nägel man mir beschnitt) »daß ich das All und Universum bin;mehr kann man nicht werden in der Welt als die Welt selber (§8 <clavis1.htm>) und Gott (§ 3<clavis1.htm>) und die Geisterwelt (§8 <clavis1.htm>) dazu. Nur so lange Zeit (die wieder mein Werkist) hätt' ich nicht versitzen sollenohne daraufzukommennach 10Visthnus-Verwandlungendaß ich die natura naturans und der Demiurgos und derBewindheber des Universums bin. Mir ist jetzt wie jenem Bettlerderaus demSchlaftrunk erwachendsich auf einmal als König findet. Welch ein Wesendassich ausgenommen (denn es wird nurund ist nie)alles machtmein absolutesalles gebärendesfehlendeslammendesheckendesbrechendeswerfendessetzendes Ich1)!« -

Hier konnt' ich nicht länger mit den Füßen im Wasser bleibensondern gingbarfuß und tropfend auf und ab: »Überschlage doch einmal«sagt' ich»inPausch und Bogen deine Schöpfungen - den Raum - die Zeit (jetzt bis insachtzehnte Jahrhundert herein) - was in beiden ist - die Welten - was auf diesenist - die drei Reiche der Natur - die lumpigen königlichen Reiche - das derWahrheiten - das der kritischen Schule - und sämtliche Bibliotheken!« - Undmithin auch die paar Bändedie Fichte geschriebenweil ich ihn erst setzenoder machen mußeh' er eintunken kann - denn es kommt auf meine moralischePolitesse anob ich ihn leben lassen will - und zweitens weil wir beidewennich mich auch dazu versteheals Anti-Influxionisten doch nie unsere Ichsbehorchen könnensondern jeder selber das erfinden mußwas er vom andernlieseter meinen Clavisich seine Drucksachen. Daher nenn' ich dieWissenschaftslehre keck mein Werk und den LeibgeberianismusgesetztauchFichte wäre und hegte ähnliche Gedanken; er würde hier nur der Newtonmit seinen Fluxionen sein und ich der Leibniz mit der Differentialrechnungzweiähnliche große Männer! So gibt es auch ebenso viele philosophische Messiasse(Kant und Fichte); und ebenso viele jüdischewovon der erste der Sohn Josephsder andere der Sohn Davids sein soll.

§ 13

Vielgötterei oder Viel-Icherei. Andere Götter oder Ichs neben mir zuhabenverbietet der mosaische Dekalogus ebenso scharfals es der fichtischegebietet. Der Verfasser dieses Clavis muß es allendie ihn lesen undrezensierenrund heraus bekennendaß erals streng-konsequenter Theoretikerunmöglich mehrere Wesen glauben kann als sein eignesweil durch dasselbe alleshinlänglich erklärt und produziert und integriert wirdworüber man fragteund fochtdas Dasein des vorgestellten (§ 8<clavis1.htm>) und des vorstellenden (§7 <clavis1.htm>) Universums und das Handeln des reinen Ichsoder der Gottheit. Ohne Not werden sonst die Wesen - und noch dazu dieunendlichen - vervielfachtda an einem Schöpfer und Primas aller Dingegenug sein kann. MillionenTrillionen absolute Ichs2)primae causaecausae sui aliorumqueunbedingte Reali- und Aseitäten oderGottheiten - z. B. WeimeranerFranzosenRussenLeipzigerPestitzerIrokesenMenschen aus allen Ländern und Zeiten - diese höchste Wesen kommenalle und wachsen unaufhörlich nach und bringen ihre eignen Universa mit (dieich noch dazu für vidimierte Kopien des meinigen kaufen soll); aber wozu undmit welchem Recht und unter welchen Grenzen ihrer Volksmenge undMitbelehnschaft? frag' ichals scharfer Unitarier und Singularis. - Ich bittefind' ich besagte Ichs anderswo als in der von mir gesetzten natura naturatainmeinem breiten Nicht-Ich als eingewürkte Figuren dieser unendlichenHautelisse-Tapeteals Einschränkungen und Bestimmungen meines Noumenonsaberkeines selber? - Und geb' ichs zuso können siediese meine eignenEmanationen und Drillings- oder vielmehr Sextillionen-Geburtenmichwenn siewollenzu ihrem Fechser und Derivativum und Adjektivum herabsetzenzumStiftchen in der Musaik ihres Nicht-Ichs. Und die alte Frage Augustinsob derSohn auch Gott den Vater zeugen können3)würde repetiert und bejaht. -

Hierauf versetzet mir nun Fichtesooft ich persönlich ihm dartueer könnenicht sein - nach reiner Vernunft -allzeit daswas er in seiner Sittenlehre4)und überall drucken lassen: er müsse nämlich durchaus fremde Ichsobwohl nurheraldische Figuren im gemalten Nicht-Ichdoch davon ablösen und belebt undbeleibt heraustreten heißenbloß um nur jemand zu habenmit dem einmoralischer Umgang zu pflegen wäre. Gerade wie der Kantianer Gott undUnsterblichkeitso postuliert Fichtes Ich Ichs.

Ich bitte ihnsich zu erinnernwas ich mit der Pfeife im Munde ihm sagteals wir in Jena zusammen die Stube auf- und abgingenund dann selber zuentscheidenob er sei.

Erstlich daswas in der Note steht.

Zweitens: das moralische Gesetz als dieses setzt nichts außer sich vorauskeine Existenz; so wenig einen Gott als Gegenstand wie einen Gott alsGesetzgeber. Das reine Ich kann gegen kein reines handeln (beide haben kein Da-und Bewußtsein) und ebensowenig gegen ein empirisches oder als ein empirisches;so wenig wie eine Modifikation gegen eine Modifikation eine Pflicht hat - daherfindet auch Fichte im sittlichen Sollen den Exponenten des transzendentenWerdens -. Der Bastillenklausnerder insularische Robinsondiesekönnen sich ebenso viele moralische Reichtümer sammlen als irgendeinGeneralissimus an der Spitze eines Säkulums; ja der Gott der Kantianer war jain der leeren Ewigkeit a parte ante heilig ohne irgend etwas anders als sich.

Fichte antwortet mir allemal daraufdas alles wiss' er vielleicht noch etwasbesser als ich selber.

Drittens: postuliert er einmal die Realität der intramundanen oder fremdenIchs und will er sie also auch so extramundan wie sein eignes haben: so muß erauch die daran klebende Realität der Sinnenweltworin nur gegen jene zuhandeln istmoralisch sich gefallen lassen; und dann ist uns Fichtisten allender alte graue Schneeklumpe des Realismusden wir vorher mit so vieler Hitzeund Dinte zerlassen habenwieder vor die Tür gesetzt; und unser systematischesElend ist nicht zu übersehen. Um nun nicht in jenen Schneeklumpen zu tretengreift Fichte nach folgendem Springstock:

IchLeibgeberkann z. B. mehr als 70 K (etwan Kantianer undAnti-Leibgeberisten) vom Hungertode (etwan als Buchhändler oder als vozierenderFürst) errettenmithin soll ichs; d. i. (nimmt er an) ich träume5)daß die 70 Ks nichts im Magen haben als Magensaft; diese träumenglücklicherweise dasselbebloß damit wir sämtlich ein Religionsexerzitiumder Moraleinige aszetische und kanonische Horen erhalten. Will ich nunden 70 Schelmen etwas zuwenden: so träumt mir das wirkliche Zuwendenund ihnendas Empfangen; in der Tat aber haben wir allefestgeschnallt auf unsere Bettenmit Vulkans Brezeln und Strickennichts Reelleres miteinander geteilt als denTraum.

Himmel! drei Tage und Nächte lang wollt' ich gegen diesen Satz im Feldestehen. Primo (man soll es nicht mit dem erstern Erstlich oben verwirren)wiesoll denn L (ich)der außer aller objektiven Konnexion mit den 70 Jüngernlebtje ausmitteln und erfragenob er und sie insgesamt in Zeit und Raum undTraum zusammentreffen? Tu' ich nicht einen moralischen Frei-Schußwiesonst die Jägerzum jenensischen Fenster hinaus und bin mir eines erlegtenRehbockes im Harzwald gewärtig? Denn kein Mensch kann mir ja dafür haftendaß ich nicht meinen Traum des Fütterns und Hungerns im 18ten Säkul undhienieden habedie 70 Dolmetscher aber ihren Hunger und meineMildtätigkeit im 1sten oder 30ten Säkul und auf dem Hundsstern träumen.

Gesetztich setze mich hin und postuliere moralisch von neuem etwas dazunämlich das Simultaneum der Träumer und Träume: so werd' ich nur leider ummich keine Exekutions-Macht ansichtigwelche außerhalb und zwischen unsGötter-Ichs und Venerabiles als Kreisausschreibender Direktor träte und füreinen Parallelismus und ein sensorium commune der Träume nur in etwas sorgte; -ich sehe und höre niemand6).

Secundo. Angenommenwir würden mit einem Simultaneum von unbekannter Handbeschenkt: so können wir wenig damit machen. Ringsum bin ich mit meinemNicht-Ich umgebenin das auch das tote Wachsfigurenkabinett menschlicherGestalten eingebauet ist. Diese Wachsfiguren und Ahnenbilder könnt' icheigentlich zerdrücken und zerreißen wie andere Charaktermasken (denn sie sindlediglich mein Produkt und ohne alle absolute Freiheit und Ichheit). Das fremdeentsprechende absolute Ich hat nichts mit dieser Figur zu tun; es setzt sichschon eine (ähnliche) im eignen Nicht-Ich. Daher nach diesem System von jedemIch so viele Leiber außer dem eignen herumlaufenals es fremde begegnende undsogleich setzende Ichs gibt. Dennoch soll ichda durch keine Konsekration7)ein Gott in diese Statuen zu bringen istbloß ein Vergehen an diesen Statuenwie eines an den römisch-kaiserlichen8)für ein Majestätsverbrechen halten; ich soll wie Hexen durch das Bild dasferne Original zu treffenwie Katholiken durch das Heiligenbild den Heiligenund Gott zu ehren suchen; daher Bellarmin9)wirklich sagtin den Bildern sei schon für sich etwas Göttliches ohneRücksicht auf das Original. - Das soll ich? -

O Himmelwozu das? Dem Original selber (wenn es existiert) bring' ich damitkeinen Heller ein - seinen Wert und Himmel muß es aus sich selber spinnen -; eswird mir auch nicht zugemutet; bloß ein übender Gliedermann meiner Moralitätein Mit-Akteur soll der fremde Schau-Mensch vor mir seinden ich auf der Bühnebeschenke und liebeohne daß er etwas davon hatnur die dramatische Kunst derTugend soll dabei profitieren; meine absolute Freiheit oder Ichheit macht sichvorherum zu handeln und zu reagierendiesen Widerstand (das Nicht-Ich); siegleicht dem Vater des Sobouroffder sich selber Geld borgtesich Wechselausstelltesie oft protestierte und sich nach dem Wechselrechte strenge genugbehandelte; bloß zu ihrer Verherrlichung tut die absolute Ichheit alles. AberGottes Wollen ist Tunsag' ich dann mit den Theologen; dei (i.e. aseitatis velameitatis) benedicere est benefacere; kurz das innere Handeln macht alles ausund das äußere ist nur ein scheinbar äußeres.

Ja da das fremde Ichwie ein schlechter Akteurauf der Bühne entweder nureine Statue (Leib) oder einen Geist (reine Ich) spieltnie beidein einer Person: so könnt' ich die Statuederen Pygmalion ich binebensogut zerschlagen als beseelensobald ich mir nur recht evidentrechtanschaulich zu machen wüßtedaß ich ihr Steinmetz bin; ich kanns aber nichtund ich will auch die Bildsäulendie mir begegnennicht verstümmelnsondernergänzen.

Ich leugne nichtich komme mir seit meiner Leibgebereisooft ich edle odergroße Aufopferungen für andere mit vielen äußerlichen Anstalten mache - wasdoch kürzer abzutun wäreda bloß mein Ich moralisch voltigieren soll -fastwie jener Handelsmann im Montaigne vorderum ein Lavement zu nehmendieWerkzeuge und alle Ingredienzien auf den Tisch vor sich hinlegen ließ und allesdann ein wenig besahworauf sogleichohne daß man ihm das Klistier wirklichsetztedie Sedes kamendie nur einmal ausbliebenals gerade die Frau aus Geizwohlfeilere Spezies aufgetragen hatte.

Viertens. Mit welchem Rechte setz' ich notwendig fremde Unmoralität?Nach welcher Allwissenheit des Unbedingten außer mir kann meine absoluteFreiheit den unmoralischen Gebrauch einer fremden absoluten nicht bloß erratensondern so gewiß als den eignen setzenso daß sie moralisch darnach handelt1)?

Nimmt man aber keine fremden Sünder an: so sind die optischen nur moralischeVoltigierpferde meiner Übung; doch haperts auch da. Wahrlich das Buchstabierendem Heinecke alles Elend zuschriebbesonders die Unfähigkeit zu lesenkannnicht schlimmer sein als das Philosophierendieses transzendente Buchstabierendas auch das Lesen im Buch der Natur erschwert.

Fünftens wird mir bei der auffallenden Mehrheit der Welten nicht sowohlals gar der Universa fatal zumute. Denn jeder Hofpaukerjeder Livreeschneiderund Pescherähkurz 1000 Millionen hiesiger Menschen treten als lebendigeDemantgruben des Sternenhimmelsals Silber-Arsenik- und Welten-Hütten daherund jeder trägt seinen geschaffnen Himmel und seine Erde mit Tieren und allemseinen für ihn spielenden Welt-Guckkasten auf dem Magen vor sich hin. Indem ichein neues Stück Nicht-Ich setze und schaffe - d. h. reise -trifft sich zugleicher Zeitdaß ich eine verhältnismäßige Menge neuer Aseitäten oderAmeitäten finde; 6171 Götter oder Porte-de-dieus2)konnt' ich Anno 1788 in Weimar und 4344 dergleichen in Jena (ohne die Studentenund Handwerkspursche) setzen. Nach welcher transzendentalen Regel entsteht undwächst denn diese Götter-Volksmenge? - Wär' es nicht schöner gedachtwennmanwie die alten Theologenein einziges absolutes Ich und göttliches Wesen(und damit nur eine Schöpfung) annähmedazu aber gleich ein Subjektvoziertedas Verstand und Kraft genug hättediesen höchsten Posten zuversehen? Und dann kann die Vokation nur dem einzigen Wesen gegeben werdenvondessen Existenz man gewiß ist; und das ist niemand als ich selber.

Endlich tritt sogar der Viehstand auf meine Seiteder sonst durch Fichte einwahres Bochartisches Hierozoikon würde. Denn ich muß die Tiere als empfindendeund mithin als moralische Gegenstände3)auch objektiv postulieren - das ist leicht geschriebenaber welcheSchlußfolgen! Halbgötter werden sie dann alle - die Ägypter sind mit ihremTierdienste mehr gerettetals ich je willens war - jede Bestie setzt undschafft ein metamorphotisches Stück Weltdie Schoßkatze ist die Mutter ihrerGöttin und Herrin - das Pferd setzt den Reiterder Hase den Junker - die Mauswelche in Deggendorf die göttliche Hostie fraßist selber ebenso göttlichals ihr Fraßund von ihr und von dem Meßpriester wird die Hostie nur gesetzt- dann gehts in diesem Pantheon (ich rede vom Naturalienkabinett und Tiergarten)immer tiefer herab zu dem Viehdas nur in Epopöen genannt werden darf (vonHomer und Peter Pindar) - und die spielende Ephemere setzt 2 Stunden langerstlich die untergehende Sonne und dann ihr Weibchen - und dann kommt derDarmwurm in mir und will auch göttlich setzen..... (§3-8 <clavis1.htm>).

Das hole der Teufel! So würde das beste System von der Welt dumm und toll;und echte Konsequenz schaffte mehrere und plattere Götter und Laren als derPapst selber.

Im Artikel Fetischerei4)hab' ich eine Probe gegebenwie komisch ich sonst die Welt ansahals ich nochwie Fichte andere Götter neben mir hatte und setzte.

Nach solchen Beweisen erwart' ich gelassen die Spaltungen der LeibgeberischenSchuleund ich verhoffe wenigstens einige Leibgeberisten zum Nachdenken undZweifel gebracht zu haben darüberob noch etwas anderes existieren könne alsich alleindiese hinlängliche rationale und irrationale Wurzel aller Dinge -das Weberschiff aller Schiffe und Weber - der Perpendikel des Welten-Getriebes -das Herz des Seins - der Bauherr des Weltgebäudes - das Eins und das Alles.

Findet Fichte meine Gründe zureichend - welches herzlich zu wünschen -: soist er gewiß der Mannder am ersten bekenntdaß er nicht existiertgleichgültig gegen den kläglichen Widerspruchden nur der gesundeMenschenverstand in solchen Sachen finden kann; - oder der wenigstens sagtdaßich nicht binwelches ich dann (da mir meine Existenz gewiß genug ist) schonzu meinem Vorteil auf seine Kosten auslegen will.

§ 14

Fetischerei. Sonst war meine Leibgeberei etwas dergleichen; und es istspaßhaft (aber weiter auch nichts)wie ich früher - als ich noch mit Fichtedie ganze Erde zu einem Gottes- oder Götteracker machte - die Leute für meinpantheistisches System zuschnitt. Der mir anhängende Ernst eines Philosophenschien mich da ganz zu verlassen; aber doch nur von außen; innen schnitt ichGesichter.

Sah' ich z. B. trockne Hungrigegriesgrämische RegierungskanzelistenKontoristenRenteibedienteKassenschreiber an der Schreib-Galeere mit ihrenKielen rudernso fragt' ich: »Diese sämtlichen göttlichen WesenerprobteSchiffszimmermänner einer so schönenim Universum ziehenden Welten-Flottewarum wollen sie nun jetzt (das Universum konservieren sie bloß) nichts mehrmachen (und noch dazu so verdrüßlich) als Zahlendie nach andern Philosophengerade die Baumaterialien der Welt waren?«

Sah' ich die 12 Reichskammergerichtsbotenso sagt' ich: »Ihr guten 12Götterboten und Apostel im eigentlichen Sinneuere Schöpfungen sindeurenStil ausgenommengut genug von den Gestirnen an bis auf eueren Stock herab;aber erschafft nur nicht so viel Zeit in Wetzlarlieber wollen wir miteinandermehr Beisitzer und Kammerzieler setzen.«

Sah' ich einen Rittergutsbesitzerso sagt' ich: »Als deus majorum gentiumbetrachtetbist du der Vater deines Ururgroßvaters und des ganzen Stammbaumsso wie die produzierende Klasse dein Produkt ist; du darfst stolz seinaberbloß nach der Wissenschaftslehre (§ 6-8<clavis1.htm>).«

Sah' ich einen Fürstenso mußt' ich sagen: »Schöpfer deines Staats undder andern StaatenKolumbusder sein Amerika schafft und istGeneralissimusaller HeereNutritor aller akademischen Nutritoren! Da dein absolutes Ich dieopera omnia des Universumswie Geßner die seinigenzugleich machtdrucktsticht und verkauft; da wir sämtlichen Götter an deinem Staatswagenwie diegriechischen an dem des Gottes der Liebeals Deichselgäule ziehen: so brichentweder dem unermeßlichen Weltapfelden deine Hand als ein Ast trägtdasKreuz wegoder erschaffe einen Prinz von Wallis oder unendlichen Sohnder dieWelt erlöset und ein Lamm ist und das Kreuz trägt - wie gesagtalles drehtsich um den Erbprinzen.«

Sah' ich eine Fürstinso sagt' ich zuweilen nichtsdie Weiber warenfrüher Göttinnen als ich und Fichte Götter; ja sie sind wie die Erde matresdeorumdie Gottesgebärerinnennämlich unsere.

Sah' ich einen Philosophen aus unserer Schuleso gab ich ihm einen tapfernSchlag auf die Achsel und sagte: »Kneph! lieber Kneph!5)(denn deine wissenschaftslehrende Zunge legt das Eidas Ichden hüpfendenPunkt der Welt) du bist zwar allwissend und ein göttlicher Autodidaktos undliesest wenigweil du nichts darin findestals was du hineinlegstdu sitzestlieber auf deinem Schreibstuhl und sagst da mit Vespasian: ut puto deus fiojawenn du als Examinandus mehr schwitztest als sprächestso wär' es nurweildu dem Examinatorwie uns im Traum begegnetalles liehestwas du hättest;aber ich bitte dichwarum hast du schon das 20ste Jahrhundert geschaffen undwandelst darin aufgeblasen neben der Nachwelt auf und ab? Das ist zwar reinphilosophischaber nicht höflich. Schaffe doch mit uns andern höchsten Wesenam 18ten Säkulum fort: sehen wir denn nicht eine ganze Ewigkeit vor unsSäkula zu machen?«

Sah' ich Galgenstricke in OrdensbändernVölker-MörderLänder-DiebeBluttrunkenboldezerschneidende eiserne Jungfrauen der keuschenoderMädchen-Septembriseursso wurd' ich ein Manichäer und Sterkoranist und sagte:»Hier stehen der Ariman und der Orosmudz für einen Mann. Fichtes Gottund Erhards Teufel haben da communicatio idiomatum. Die Sache ist kaum zuerklärengesetzt auchman habe die Deduktion des uns angebornen Bösen inFichtes ›System meiner Sittenlehre‹1798 bei Gablergelesen. Wenn dasabsolute oder göttliche Ich sündigt und ein teuflisches wirdsobald es zuVerstande und zu einem Nicht-Ich kommt (ein intelligentes wird): was soll manvon VerstandAufklärungSchöpfung und dergleichen halten?« -

Sah' ich einen Setzer mit wassersüchtigen Beinender meinenLeibgeberianismus setzteso erlaub' ich mir ein etwas fades Wortspiel und sage:»Warum setzt der kranke Herrgott und Demiurgos bloß das Setzen des Setzens?«

Hätt' ich meine Frau gesehenso würd' ich das Universum betrachtet undmich als dessen Patrizesie als die Matrize genommen haben und gesagt: »Einleidliches Pantheonworin bloß zwei Götter stehender Mars und die Venus6)und den Rest repräsentieren.«

Ging ich vor einem Dieb am Galgen vorbeider hängenden Puppe desausgeflognen Gottes und Nachtvogelsso mußt' ich berechnen: moralisch konnteman mich nicht mehr zwingendieses Nicht-Ichs-Fragment des entwischtenDiebesgottes zu postulieren; und doch hing die Ichs-Schwarte noch da. In jedemFall mußten wir moralischen Wesen insgesamt so viele Exemplare vom gehangnenLeibe setzen und auflegenals unserer waren; nur die Originalausgabeder Leibden die gehangne causa sui setztewar vergriffen.

Als mich in Rom der Papst mit segneteso erklärt' ich ihn nicht für denStatthalter Christisondern für diesen selber. Denn es war mir leichtihn alssolchen nach den Merkmalendie mir die Orthodoxen mitgegebenzu erkennen: derPapst hatte sein ordentliches absolutes Ich - also die göttliche Natur -seinempirisches - also die menschliche Seele -sein Nicht-Ich - also den Körper. -Ein solches Gottmensch ist aber von Petrus und Judas an wohl jeder Kardinal -Fürstbischof - Jesuitengeneral - Konsistorialrat - Pönitenzpfarrer - - wiebin ich nicht selber ein solcher Knecht aller Knechte?

Kam ich in ein Tollhausso verbarg ichs freilich nichtwie sehr ich michwundertedaß dessen Götter und erste Ursachen den Autoren so glichenderenWerke klüger sind als sie selberich meinedaß die Tollen einen so herrlichgeordneten Makrokosmus setztenund doch ihren eignen Mikrokosmus verhunzten:»Warum ist der Gott«sagt' ich»wieder so auffallend parteiisch fürdas Objekt und wider das Subjekt?«

Sah' ich meinen ältesten Freundso sagt' ich nichts als: »Ich = Ich.«

Sah' ich Fichte - da ich der Kastor war und er der Pollux und da wir beidenur durch eine alternierende Unsterblichkeit von Setzen bestandenso pflegt'ich weiter nichts zu äußern als: »Soyons amisAuguste!« -

§ 15

Die Leiden eines Gottes im Gethsemane-Garten. Davon weiß ichTheopaschist und Patripassianer ein Passionslied zu singen. Die Scholastikerwarfen die kritische Frage aufob Gott nolens oder ob er volens1)Gott sei. Ich kann aus Erfahrung reden und sage: nolens volens. Wer einer istwird mit mir eingestehendaß es sogar ein bloßer Fürste besser habe. Manhöre hierüber meine 4 Maestosos! - Mein erstes Maestoso ist: ich sitze -absolut betrachtet - seit den ewigen Zeiten dadie ich schaffeblindohneBewußtseinziehe meine unsichtbare Unermeßlichkeit zu etwas Dichtem zusammenmeinen Äther zu einem Blitze und habe dann das empirischeziemlichverständige Ichdas hier schreibtkreiere aber immer hinter ihm fortmeineWelt so wenig kennend als die stahlische Seele (anima Stahlii) ihreKörper-Baute. Das meinten sowohl die Griechenwenn sie die Nacht zurallgemeinen Gottes-Gebärerin machtenals die Ägypterwenn sie den Maulwurfbloß seiner Blindheit wegen2)unter die Götter beriefen. Wie ein Nachtwandler Predigten und andere Aufsätzeso mach' ich bewußtlos die Welten. Mir (empirisch genommen) grauset vor mir(absolut genommen)vor dem in mir wohnenden gräßlichen Dämogorgon3).

Mein zweites Maestoso istdaß ich zwar viel Verstand habeaber nichtgenug; und in Meusels Gelehrtem Deutschland stehen mehrere Bogen vollNationalgötterdie noch mehr darüber klagen dürfen. Ich lasse zuderVerstand ist bewundernswürdig und unendlich und (im eigentlichen Sinn) keinmenschlicherden ich (als absolutes Wesen) bewies in der ganzen Einrichtung desWeltalls (Nicht-Ichs); aber ich weiß nichtwas ich dachtedaß ich meineneignen subjektiven Verstand so stiefmütterlich und schmal beißen ließdaßer nun meinen objektiven Verstand selber nicht kapiert. Bin ich nicht im niedernFall der Tierein denen nach Herder das Mechanische so zunimmtwie derVerstand abnimmt? - Beim Himmel! ich (empirisch) hätte der größte Kopf werdensollenein Universalgenie für ein solches Universum. So aber fasset meingedachtes Ich von einem Objektedas doch nur seinetwegen zum Vorstellenhingesetzt wurdeim Grunde so viel wie nichts.

Ferner das Nicht-Ich wird (von mir als absolut) auf einmal ausgeschaffendasempirische Ich oft kaum in 40 Jahren. - Weiter: die Nicht-Ichs sind einander amWerte ziemlich gleich geschaffenund die Ichs alle so verschiedene; entwederdiese Verschiedenheit oder jene Gleichheit ist ein Wunder. Die Parteilichkeitist also ja offenbardie ich (als Aseität) bei meiner doppelten Menschwerdungoder Verwandlung ins Objekt und Subjekt (§ 78<clavis1.htm>) verrate für das Objektund zwar in demGradedaß ichals eine Sonne mich in diesem zweifachen Regenbogen farbigbrechenddas arme Subjekt nur zum blassen umgekehrten Nebenbogen zu machenscheine und - um in dieser betrübten Sache ein heiteres Wortspiel zu hecken -insofern richtiger Leibgeber zu heißen verdiene als Seelsorger. -

Man will mich zwar damit tröstendaß ich (als intelligentes Ich) dertiefsinnigste Weltweise binden Deutschland gegenwärtig nährt. Ich kann dasleicht zugebenohne daß meine Gegner viel dabei gewinnen. Kant zeugte 10957½Nächtenämlich 30 Jahre an seiner Kritik; Fichte brauchte vielleicht kein ¼Jahr dazu (denn Lesen ist Machen); aber desto mehrere Jahreum seineWissenschaftslehre zu erfinden. Dieses schwere Werk macht' ich hingegen in einemMonat oderpopular zu redenlas es. So überstieg einer den andern. Meinen in14 Tagen kaum ersonnenen Clavis verfertigt vielleicht ein Tropf durchsogenanntes Lesen in 2 Stunden. Aber so ists ja gar zu klardaß jedes spätereIch immerohne daß man weiß warum und wodurch4)alle Entwickelungen voriger Ichs5)die Reichtümer mehrerer Jahrhunderteallzeit in wenigen Jahren und Stundenerschafft; der letzte wird (im eigentlichen Sinne) der erste sein.

Das ist mit eine von den übeln Folgenwenn manwie FichtemehrereGottheiten statuiert als seine eigne. Man willige z. B. nur in die Existenzeines einfältigen Einheizers einer Bibliothek ein: so hat man 1000 Maestososstatt eines. Denn der Einheizer - der übrigens freilich einen Gott sorepräsentiert wie etwan nach dem Clemens von Alexandrien in Thespien ein Klotzund in Samos ein Brett die Himmelskönigin Juno - hat inzwischen nicht nur dieNatur samt ihrer unerschöpflichen niedern und höhern Mathematik erschaffen(fährt sogar fort6))sondern dieherrlichen mathematischen und andern Werke über sein Machwerk und alle Sprachenin der Bibliothekdie er wöchentlich heiztsind in Hinsicht der Letternund Figuren (als Teile seines von ihm produzierten Nicht-Ichs) völlig seineWerke und Produkte. Gleichwohl ist dem Kalefaktor auf keine Weise der Inhaltdie geistige Bedeutung der Lettern beizubringen; gelingts dennoch und fasset erendlich Eulers Analysis oder Ernestis oder Leibgebers Clavisoder was er sonstheizetso lernt er nur daswas er früher drucken lassenund erfindet (wiemehrere Philosophen) erst nach den Zeichen die Begriffeähnlich jenensteinernen Brunnentierendie zu saufen scheinenindes sie wirklich gießen7).Edler zu sprechener und jeder Lernende gleicht dem Wiener Grafen von meinerBekanntschaftwelcher dem öden nackten Hinterkopfe einen netten falschen Zopfanbandder aus Haaren geflochten wardie ihm früher selber ausgefallen.

Wo bleiben meine Maestosos? - Ich bin mit dem zweiten nicht hinaus. Ichhöresagt' ich obenich sei ein großer Philosoph als Fichtist oderLeibgeberist und man nenne michwie den großen Scholastiker Alexander Halesden Doktor irrefragibilis. Ich gehe noch weiter und setze sogar dazudaß michoder Fichten nur wenige fassen und daß jeder (und wär' es ich selber)der mirwidersprichtdadurch am gewissesten zeigedaß er (und ebenso ich selberwennich mir widerspreche) mich nicht verstehe. Studenten (bekenn' ich mit Fichte)gehen in mich ein. Noch Nüchterne (ich spreche metaphorisch) nehmenals wärensie physisch Nüchterneleichter eine Krankheit an oder eine Kost undverarbeiten sie gewaltiger; Männerwelche schon die vorhergehenden Systemedie Urgroßmütter des meinigenkennenvermögen das nicht. Aber was hilft esmirwenn ichs so weit bringe wie Alchakim Biamvilla in Ägyptender sich durcheine Namensunterschrift von sechzehntausend für einen Gott erklären lassen:sobald ein System wie in Neapel die Opera buffa (weil jeder Narr philosophiert8))45mal hintereinander gegebennachgesungenumgearbeitetverarbeitet wird? DieKuckucksuhren machen dann kalt gegen den wahren Kuckuck. Nach 20 Jahren lebt mannur noch mit einzelnen Gliedern in ganz wild-fremde Systeme eingenagelt. Einpoetisches Kunstwerk hingegen wird wie eine Opera seria einmal gegeben;und ist noch nach 100 Jahren ganz. -

Drittes Maestoso. Was dieses Klaglied anlangtso werden wohl wenigeunendliche Wesen in Europa - zumal in diesen Kriegsläuften - wohnendie esnicht mitsingendas nämlichdaß man selber den ungeheuernallgewaltigenRiesenden man das Nicht-Ich nennthingesetzt und nun von ihm wie Gott Saturnvon den drei Kindern (den Regenten der Erdedes Meers und der Hölle) gebundenentmannt und entthronet wird. Lavater9)glaubt in der andern Welt sein Glück zu machenwenn er allda (wie er ziemlicherweiset) GeniesPflanzenWelten und Himmel erschaffen könne. Er kannaber hier unten sehenwas dabei herauskommt; wir absolute Ichs insgesamt habensehr und viel geschaffenuns aber doch mehr auf Höllen gelegt. Wenigstens isthier wieder die altevon den neuern Ästhetikern nachgeahmte Parteilichkeit desabsoluten Ichs für die Objektivität nicht zu verkennenda es doch demSubjekte hätte verhältnismäßige Kräfte geben sollen zum Gleichgewichtanstatt den armen Zwerg aufs Schlachtfeld gegen einen blinden Polyphem zutreiben. Fichte nennt die Welt den Widerschein unsers göttlichen Ichs;der veraltete Freidenker Edelmann nennt sie einen Schatten Gottes.Letzteres hör' ich lieberdenn dieser Schatten verfinstert und verkältet daslilliputische intelligente Ich wahrlich bis zum Erfrieren.

Ich gestehewenn die absolute Ich- oder Freiheitwie Fichte willdie Welt nurerschaffen hatum einen Widerstand zum Handeln zu haben: daß mir dann mancheszu hinken scheint. Sind denn zu meinen freien Religionsexerzitien so viele niemich versuchende SterneWeltteile samt ihren Inselndie vorigen JahrhunderteKäferMoose und das ganze Tier- und Pflanzenreich vonnöten? Und wennein Sloane das Dasein Gottes aus dem Magen beweiset - Donatus aus der Hand -Meier aus der Spinne - Menzius aus dem Frosch - Stengel aus Mißgeburten - undSchwarz aus dem Teufel10): ist dennwieder umgekehrt ebensoleicht das Dasein dieser Fündlinge aus dem göttlichenIch zu deduzieren? - Denn man nehme besonders den letzternden Teufel; nämlichfremde unmoralische Wesen. Find' ich nicht überalldaß der Widerstanddensich das freie Ich entgegensetztzu mächtig ist? Und leitet Fichte nicht inseiner Sittenlehre §. 16 das Bösealso die Niederlage des reinen Ichsvonder Übermacht der sinnlichen Weltalso von dem Widerstande herden es sichselber zu groß gesetzt?

Welches Verhältnis hat endlich die gleichförmige und über die empirischenIchs rückwärts und vorwärts hinausreichende Entwicklung des astronomischenund historischen Nicht-Ichs (die eigentlich schon für sich nichtbegreiflich ist) mit meinem freien Handeln? Lauter Fragen und Nöten!

Viertes und letztes Maestoso. Was endlich kläglicher ist als allesistdas müßigezwecklosevornehmeinsularische Lebendas ein Gott führenmuß; er hat nichts zum Umgang. Sitz' ich nicht die ganze Zeit und Ewigkeit daund lasse michso gut ich kann11)herab und mache mich endlichum nur etwas zu habenhabe aberwie kleinere Fürstendoch nichts um mich als meine nachsprechenden Kreaturen?Jene beiden Franzosen in Berlindie sich erboten - und es hielten -ein ganzeslanges theologischesjuristisches und jedes begehrte Kolloquium zu haltenbloß dadurchdaß jeder zum andern immer sagte: Monsieur! mit verändertemAkzente- diese waren dochwie gesagtein Dualis. Aber wie darf ich mich mitihnen messender ich eine ganze Ewigkeit a parte ante - und die a post lässetsich auch nicht besser an - nichts zu mir sage als: Monsieur? - Es wäre dochetwaskönnt' ich nur einmal mich umkehren und sagen: Madame! oder gar: Bibi!12)

Ein Wesenes sei welches es will und immerhin das höchstewünscht etwaszu lieben und zu verehren. Aber der fichtische Leibgeberianismus lässet mirnichts dazu danicht einmal den Hund jenes Bettlers oder die Spinne jenesGefangnen. Denn gesetztdie beiden Tiere wärenso können nur die neunBilder von unsdie ichder Hund und die Spinne malenetwas miteinander zu tunhabenwir selber nichts. Etwas Besseresals ich selber binwornach doch jedeLiebe ihre Flamme schlägtist gar nicht zu haben. Der Mantel der Liebeder sich seit einigen Jahrtausenden ohnehin so schmal abtrug als dasbischöfliche Palliumdas vier Finger breit liegtverlodert nun vollends; undman behält nichts zum Lieben übrig als sein Lieben. Wahrlich ich wollteesgäbe Menschen und ich wäre von der Zahl! -

Die Sache würde sich aber doch noch gemacht habenhätte mich oder Fichtenoder beide nur nicht der Satan verführtdaß wir setzten oder reflektierten.Ich hatte vorherals Jupitermeine hübsche menschliche Gestalt angenommenummeine Geschöpfe zu genießen und anzuhören; jetzt aber ist mir nicht mehr zuhelfen. Jede Gottheitfalls noch eine durch Postulieren zu gewinnen istsitztwie ich in ihrem dicht verschlossenen Eis-Empyräumträumt vielleicht dasdreißigste Jahrhundert und den Uranuswenn ich die Erde und das 18te träumeund ist und hört ihr Ichs-Monochorddie einzige Saite der ewigenSphärenmusik.

Unser Tun und Einsehen istwie Jacobi sagtein Tun des Tunseine Einsichtder Einsicht; ich setze dazu: nur ein bloßes Spiegeln des Spiegelns- obwohl dieses unendliche Wiederholen und Abspiegeln doch anfangs etwasanderes wiederholen hätte sollen als das Wiederholen -und wir leben sokärglich als jene im »Verkündiger« angezeigte Katzedie ein britischerGeizhals bloßanstatt sie zu fütternmit fetten Riemen überstrich und diesich selber den ganzen Tag belecken mußteum zu leben. - Schelling sagt zwarin seiner »Philosophie der Natur«es sei ihm anfangs diese Aussicht insunermeßliche Nichts um seine Göttlichkeit her auch schlecht und frostigbekommenaber endlich hab' ihn das innere - Schaffen erheitert und gelabt.

Aber wozu dasselbe? - Schaffen und Handeln ist dann bloß eineZimmermannische Motionsmaschinedie man bewegtum sich zu bewegen. Existiertvollends - wie ich leider nur gar zu sehr besorge - niemand als ich armer Hunddem gerade das Los fallen mußte: so stand es wohl noch mit niemand so schlechtals mit mir. Aller Enthusiasmusder mir zugelassen istist der logische - Allemeine MetaphysikChemieTechnologieNosologieBotanikInsektologie bestehtbloß im alten Grundsatz: erkenne dich selber - Ich bin nicht bloßwieBellarmin sagtmein eigner Erlösersondern auch mein eigner TeufelFreundHein und Knutenmeister - Die praktische Vernunft selber (dieses einzige heiligeSchaubrot für einen hungrigen philosophischen David) setzt mich mühsam inBewegungweil ich doch nur für mein Ich und für niemand weiter etwas Gutestun kann - Lieb' und Bewunderung sind leerdenn gleich dem heiligen Franziskusdrück' ich nichts an die (Vexier-)Brust als die von mir geballten Mädchen ausSchnee - Rund um mich eine weite versteinerte Menschheit - In der finsternunbewohnten Stille glüht keine Liebekeine Bewunderungkein GebetkeineHoffnungkein Ziel - Ich so ganz alleinnirgends ein Pulsschlagkein Lebennichts um mich und ohne mich nichts als nichts - Mir nur bewußt meines höhernNicht-Bewußtseins - In mir den stummblindverhüllt fortarbeitendenDämogorgonund ich bin er selber - So komm' ich aus der Ewigkeitso geh' ichin die Ewigkeit - -

Und wer hört die Klage und kennt mich jetzt? - Ich. - Wer hört sieund werkennt mich nach Ewigkeit? - Ich. -