Readme.it in English  home page
Readme.it in Italiano  pagina iniziale
readme.it by logo SoftwareHouse.it


Franz von Pocci

Das Eulenschloß

Ein mit unglaublicher Zauberei vermischtes Drama
in vier Aufzügen

 

 

Personen:

 

Ritter Kauzenveit im I. Aufzuge als Eule, im II. und III. Geh.-Sekr. Eulert, im IV- Baron von Eulenschloß Kasperl Larifari Gretl, Kellnerin Staatsrat von Walter Geh.-Rat Aktenmaier Hutzlpeter, Hubermartl und Knöpflbauer, Bauern von Simpelsdorf Hiesl, Hausknecht Hoflakaien und Bediente

Erster Aufzug

Burgruine im Mondenschein. Der Wind heult. Kauzenveit sitzt in Gestalt einer großen Eule auf Mauertrümmern.

Kasperl (mit Wandersack tritt ein). Uh, Uh! das ist eine schauerliche Nacht. Mich gruselt's und beutelt's vor lauter Furcht. Wo bin ich jetzt eigentlich? Mir scheint, der Weg ist mir unter meine Füß davongelaufen; statt in ein Wirtshaus zu kommen, bin ich an dies Nest geraten, wo ei'm die Mauern über'n Buckel zusammenstürzen möchten. Meine Schulden, die mich aus der Stadt vertrieben haben, die hab ich freilich zu Haus g'lassen und nur meinen leeren Ranzen mitgenommen; allein diese Leerheit ist fürchterlich. Meine Taschen leer, mein Magen leer, mein Beutel leer – alles ist leer. Schauerliche Einsamkeit! Was fang ich jetzt an? (Die Eule ächzt und schlägt mit den Flügeln.) Oho! was ist denn da wieder? Was für ein unbekanntes Wesen sitzt dort auf der Mauer? Pfui Teufel! Das ist ein abscheulicher Vogel.

Heda! wenn Sie ein Vogel sind, der sich in der Gegend auskennt, was ich doch vermuten kann, so zeigen Sie mir gefälligst den Weg in einen Gasthof. Aber, freilich, Sie holen sich Ihre Kost woanders.

Eule (in schauerlichem Tone). Kasperl! Kasperl!

Kasperl. Nun, wär' nicht übel! Wer ruft mich denn da bei meinem Taufnamen?

Eule. Ich bin es! ich bin es.

Kasperl. Ich bin es! ja wo ist denn dieses »Ich«?

Eule (mit den Flügeln schlagend). Ich bin es – ein Unglücklicher!

Kasperl. Ein Vogel, der red't! Das ist einmal was Neues. (Die Eule schwebt zu Kasperl herab.) Alle guten Geister! (Er fallt um.)

Eule. Fürchte nichts. Stehe auf und höre, was ich dir sage.

Kasperl. Da soll man nicht erschrecken über einen Uhu mit menschlicher Stimme! Das ist ja unerhört.

Eule. Ja, es ist allerdings unerhört, drum höre.

Kasperl. Wenn ich hören soll, so kann es nicht unerhört sein. Aber mir ist's jetzt schon einerlei, und ich bin gefaßt. Machen Sie nur ihren Schnabel auf.

Eule. Vernimm eine schreckliche Geschichte.

Kasperl. Wenn die schreckliche Guschichte nur nicht zu lang ist; denn ich hab weder Zeit noch Lust eine schreckliche lange G'schicht anzuhören. Wissen Sie was, Herr von Uhu? Erzählen Sie's dem Publikum, und ich geh derweil hinaus und trink eine Maß Bier.

Eule. Bleibe! Vernimm und staune! Wisse, ich bin ein verzauberter Ritter aus dem Mittelalter.

Kasperl. Wie? ein vermauerter Widder? Das ist wirklich erstaunlich.

Eule. Nun weiter.

Kasperl Gut. Ich gehe weiter. (Will fortgehen.)

Eule. Halt! Ich meine, daß du das Weitere hören sollst.

Kasperl. Sagen Sie mir lieber das Engere, das dauert nicht so lang.

Eule. Ich hauste einst auf dieser Burg, die jetzt in Trümmern liegt, als mächtiger Schloßherr und Raubritter, gehaßt von meiner ganzen Umgebung, weit und breit gefürchtet.

Kasperl. Das geht mich eigentlich gar nichts an und ist ganz und gar Ihre Sache, Herr Raubritter von Uhu.

Eule. Aber ich bitte dich, erbarme dich doch meines Elendes.

Kasperl. Das kann ich nicht, denn mir geht's auch miserabel, also erbarme ich mich über mich selbst und für Sie bleibt nichts übrig.

Eule. Wisse: ich führte ein lasterhaftes Leben.

Kasperl. Ich bin auch kein heiliger Antoni.

Eule. Raub und Mord waren meine Lust. Da traf mich nach vergeblichen Schicksalswarnungen die gerechte Strafe. Ich ward in eine Eule verwandelt.

Kasperl. Auweh! wenn mich nur nicht auch einmal so eine Verwandlung trifft! – Aber ich muß Ihnen doch sagen, daß mir Ihre langweilige G'schicht da sehr verdächtig scheint. Ich glaub immer, daß Sie einer Menagerie entflogen sind und mir etwas weismachen.

Eule. Nimmermehr. Ich will dir den Beweis der Wahrheit geben. Zieh mir die unterste Feder aus meinem rechten Flügel aus.

Kasperl. Also eine Feder soll ich Ihnen ausrupfen? Auf das kommt's mir auch nicht an. Ich rupf. (Er tut es. Donnerschlag: Kasperl fällt um.) No, da dank ich! Das hat einen Kracher getan!

Auf einer Mauer der Ruine erscheint in Transparent römischer Lapidarschrift geschrieben:

»JEDER WUNSCH SEI DIR GEWAEHRT.«

Eule. Nun lies!

Kasperl. Ich kann nicht lateinisch lesen.

(Die Schrift verwandelt sich in deutsche Buchstaben.)

Kasperl. So, jetzt laß ich mir's gefallen. (Liest.)

»jeder Punsch sei dir gewährt.«

Was, was? Punsch? Punsch – gewährt? Ja da muß ich mir schon die Bemerkung erlauben, daß ich den Punsch nicht mag und daß mir das Bier lieber ist.

Eule. Es heißt nicht Punsch, sondern Wunsch.

Kasperl. Ah so! Das ist aber kein W, sondern ein P, wie ich's in der Schul' gelernt hab.

Eule. Einerlei. Die Schrift will dir nur sagen, daß durch die Gewalt dieser meiner Feder jeder deiner Wünsche, wenn er ein vernünftiger ist, erfüllt werde, und ich sage dir weiter, daß dir auch die Mittel in die Hand gegeben sind, mich aus meiner Verzauberung zu erlösen.

Kasperl. Dies ist sehr verzwickelt. Allein, irre ich nicht, so ist diese Ihnen ausgerupfte Feder eine sogenannte Wunschfeder, wie man auch Wünschelruten und so verteufeltes Zeug hat.

Eule. Ganz richtig.

Kasperl. A la bonheur! Nun; weil es vor allem ein vernünftiger Wunsch ist, daß ein vernünftiges Wesen, welches Hunger und Durst hat, sich zu Essen und Trinken wünscht, so wünsche ich mir jetzt ein Wirtshaus, in das ich einkehren kann.

(Donnerschlag. Es erscheint ein ländliches Wirtshaus, gedeckter Tisch an der Türe. Auf dem Schild ist eine goldene Eule gemalt. Kauzenveit schwebt auf das Wirtshausschild und verschwindet.)

Kasperl. Bravo! – »Zur goldenen Eule.« Da wollen wir gleich zusprechen.

Kellnerin Gretl (tritt geschäftig aus dem Hause). Was schaffen S', Gnäherr?

Kasperl. O du lieb's Mauserl du! was ich schaff? Was habt Ihr denn auf dem Speiszettel? Und wie heißt du denn, Trutscherl?

Gretl. Ich heiß Gretl und kann mit allem, was beliebt, aufwarten: Niernbratl, Kalbsschlegel, Karbonadeln, Entenbraten, Bachhendeln, Topfennudeln, Spinat mit Eier, Hirnpavesen, Erdäpfelsalat, saures Voressen, Apfelkuchen, Spanferkel, Limburgerkäs –

Kasperl. Halt ein, höheres Wesen! Sonst geh ich unter im Fluß deiner Rede! Weißt du was? Bringe mir von jeder Speis' nur eine halbe Portion und gleich zwei Maß Bier und eine Flaschen Wein dazu.

Gretl. Sollen gleich bedient sein.

(Trippelt ab. Zugleich erscheinen auf dem Tische viele Schüsseln mit Speisen, Bierkrüge und Weinflaschen.)

Kasperl. Ah! Ah! (Stürzt darauf hin.) Aber wo ist denn mein Eulenvogel hingeflogen?

(Die Eule erscheint wieder auf dem Wirtshausschilde sitzend und schlägt mit den Flügeln, verschwindet aber, wie Gretl aus dem Hause tritt.)

Gretl. Nun, sind Sie nicht zufrieden mit meiner Bedienung?

Kasperl. Du bist eine Halbgöttin. Alles wie hergezaubert.

Gretl. Was ist denn eine Halbgöttin, Gnäherr?

Kasperl. Es begreift sich, daß du nicht auf der Stufe von Bildung stehen kannst, dieses zu wissen. (Vornehm belehrend.,) Halbgöttin ist so viel, wie eine halbe Göttin, die keine ganze Göttin ist, wie z. B. eine halbe Portion Niernbratl nicht eine ganze ist; oder denke dir nur eine halbe brat'ne Gans. Nun weißt du also, was eine Halbgöttin ist.

Gretl. So? also wär' ich eine halbe brat'ne Gans? Das ist weiter nit höflich von Ihnen.

Kasperl. Du verstehst mich nicht. Jedenfalls habe ich dir ein vornehmes Kompliment machen wollen, wie es in der Stadt der Brauch ist. (Ißt und trinkt in einem fort.) Aber sage mir, liebe Gretl, kannst du nicht singen? Ich liebe die Musik beim Göttermahle.

Gretl. Ja freilich; was man halt so verlangen und in der Schul' auf'm Land lernen kann. Der Lehrer und der Pfarrer sind recht zufrieden mit mir auf'm Chor.

Kasperl. Du bist also eine Choristin? Nun so lasse ein's los.

Gretl. Wenn's Ihnen Vergnügen macht, recht gern.

Kasperl. Also ein paar Schnadahüpfeln oder so was!

Gretl. Ich sing Ihnen gleich die G'schicht von der Burgruine da. Als Schulmädeln haben wir's immer bei der Prüfung singen müssen.

Kasperl. Gut. Du singst und ich trinke. Sollst leben!

Gretl. Das Lied heißt: »Das Eulenschloß.«

Kasperl. So steht's auch heute auf dem Kommödizettel. Nun heule mir etwas von dem Eulenschloß.

Gretl (singt mit schauerlicher Instrumentalbegleitung).

Seht ihr auf grauer Felsen Schoß Die Trümmer von dem alten Schloß? Da hauste schon vor langer Zeit Der böse Ritter Eulenveit. Vom Volke ward er so genannt, Weil er als Wütrich war bekannt, Der alles sich zum Raub erkor Und selbst den Teufel auch beschwor. Nicht sicher waren Weib und Kind, Er raubte Rosse, Schaf und Rind, Und schleppt's wie eine Eul' ins Nest Dort auf sein Schloß, so stolz und fest. Doch endlich traf der Strafe Blitz Den Frevler auf der Felsenspitz: Durch Feuer ward die Burg zerstört, Vom Ritter ward nichts mehr gehört.

Kasperl. Du hast aber eine schöne Stimm'! Wie ein Vogerl, wenn's den Pips hat. Diese Stimme drang mir zum Herzen. Aber die Ritterg'schicht hab ich, glaub ich, schon einmal beiläufig irgendwo gehört.

Gretl. Ja und daß Sie's nur wissen: In dem alten Gemäuer geht's noch immer um. Kein Mensch traut sich in der Nacht hinauf.

Kasperl (wird schläfrig und gähnt). Ja, ja, ja, das ist halt so eine Geschicht, die G'schicht da! Sind wir nur froh, daß's jetzt keine solchen Raubritter mehr gibt. Aber Madl, mich schläfert bedeutend. Ich mein, es wär' Zeit, ins Bett zu gehn. Komm, führe mich in mein Schlafgemach.

Gretl. Wie's beliebt.

Kasperl. Habt Ihr doch ein gut's Federbett? Und einen ordentlichen Schlaftrunk möcht' ich auch noch in mein Zimmer hinauf.

Gretl. Ein prächtiges Bett mit einer Duketzudeck und einen echten Ofener, den Spitz zu 16 Kreuzer.

Kasperl. So, da bring mir nur so ein halbes Dutzend Spitzeln hinauf oder lieber gleich ein paar Flaschen.

(Beide ab ins Haus. – Die Eule, wieder sichtbar, fliegt vom Wirtshausschild herab.)

Eule.

Geh nur zu Bett! Wenn's tagt, so bist du mein; Als Werkzeug brauch ich dich, mich zu befrein. Vermag ich dich, daß Feder du um Feder Mir ausziehst, dann naht sich der Freiheit Stunde. Die Hülle fällt von mir, in die der Fluch Des Schicksals mich gebannt – ich bin erlöst! So wollte es die Macht, die meine Frevel Gestraft, daß meine arme Menschenseele Stets ruhelos so lang in Tiergestalt Verwandelt, bitt'rer Reue preisgegeben, Einmal doch ihrer Qualen werde ledig. Nun flieg ich wieder dorthin aufs Gemäuer, Zum Schlafe nicht, denn hell ist nachts mein Aug', Das sich bei Tageshelle wieder schließt. O grüßte einmal endlich doch der Sonne Beglückend Licht mich, Ruh und Frieden bringend! (Schwebt auf die Ruine.)

(Der Vorhang fällt.)

Zweiter Aufzug

Reichmöblierter Salon. Im Vordergrund großer Arbeitstisch, Akten darauf.

Kasperl (über seine rote Jacke einen schwarzen Frack mit Ordenssternen, tritt mit vornehmen Schritten ein). Nun hat mich die Zauberfeder zum wirklichen Mann der Feder gemacht. Ich bin Staatsminister! Ich kann sagen, daß ich mich federleicht emporgeschwungen habe. Ja es ist wahr, was das Sprichwort sagt. »Mit dem Amt kommt auch der Verstand.« Ich darf es gestehen: ich leite mein Ministerium mit Umsicht, Vorsicht, Nachsicht, Durchsicht, Einsicht, Kurzsicht und noch verschiedenen anderen Sichten. Weiß ich nichts und fallt mir nichts ein, was eigentlich immer der Fall ist, so darf ich nur meine Ministerzauberfeder hinters Ohr stecken oder ins Tintenfaßl eintauchen, und meine Beschlüsse sind von salomonischer Weisheit. Leider nützt sich so eine Feder im Drange der Geschäfte bald ab; zum Glück habe ich meinen treuen Geheimsekretär Eulert stets bei der Hand, dem ich immer gleich wieder eine neue ausrupfen kann. Er ist wirklich ein trefflicher Referent. Ich werde für ihn demnächst den Geheimen Rats-Titel beantragen; denn wenn mir seine Federn ausgehen, so bin ich ein verlorener Mann.

Bedienter (tritt ein). Euer Exzellenz, gehorsamst zu melden.

Kasperl. Was gibt's wieder? Man hat doch nicht einen Augenblick Ruhe.

Bedienter. Eine Deputation der Gemeinde Simpelsdorf bittet vorgelassen zu werden.

Kasperl. Meinetwegen. Lasse Er die Simpel herein. (Bedienter ab.) Schlipperment! Jetzt hab ich meine Ministerfeder auf'm Nachttischel liegen lassen. Nun, für die Bauern tut's es so auch. Da reicht mein gewöhnlicher Verstand schon aus.

(Hutzlpeter, Hubermartl und Knöpflbauer, unter ungeheuren Bücklingen, treten ein.)

Kasperl (ungeheuer vornehm). Ich hab euch schon im Audienzvormerkungsbrotikoll gelösen. Was habt ihr zu suplixifizieren bei mir?

Hutzlpeter. Röxzellenz, ich bin der Gmoanvorsteher von Simpelsdorf und die zwoa da san Gemeindemitglieder. Der oan ist der Hubermartl und der ander ist der Knöpflbauer, alleruntertänigst aufz'warten, Röxzellenz.

Kasperl. Nun, was gibt's? Warum kommt ihr zum Minister selbst?

Hubermartl. Ja, Röxzellenz, wir möchten halt unser Recht b'haupten.

Knöpflbauer. Halt's Maul, Martl! laß'n Vorsteher reden.

Kasperl. Zur Sache, zur Sache! Ich habe koine Zoit, mich mit solchen Pappalien lang abzugeben.

Hutzlpeter. Röxzellenz, Durchlaucht, wir san halt von der Regierung abgewiesen wor'n und jetzt möchten wir rappelieren wegen der Eisenbahn.

Kasperl. Was? Eisenbahn? Ihr wollt sagen Kegelbahn.

Hutzlpeter. Nein, Röxzellenz. Kegelbahn hab'n wir schon, aber wir möchten halt auch an Eisenbahn wegen unsere Krautköpf' und der Lehrer moant's auch, als Gmoanschreiber.

Kasperl. Ja, Eselsköpf! – Ein Lehrer soll nicht auch Gemoindeschreiber sein; das ist eine Herabwertigung seiner staatsbürgerlichen Stellung.

Hubermartl. Ja, Röxzellenz; die Sach' ist so: Wir haben so viele Krautgarten im Dorf und da kunnten wir halt auch eine Kammunikaution von am Verkehrsmittel brauchen, wie's die Heudorfer, unsere Nachbarn, wegen ihrem Dorfstich kriegt haben.

Kasperl. Da müßt ihr halt aus euren Krautgärten Torfstiche machen.

Hutzlpeter. Wir ham aber kein Dorflager.

Kasperl. Was Lager, Lager? In Friedenszeiten braucht man ohnedies kein Lager. Das macht nur Unkosten. Ich kenn mich überhaupt in eurer verzwickelten Sach' gar nicht aus. Geht nur aufs Büro Nr. 6, gleich rechts aufm Gang draußen, zum Ministerialrat Schrollmaier; der kann euch Aufschluß geben und wird mir nachher schon berichten. Adieu! packt euch!

Hutzlpeter. Wir bedanken uns untertänigst, Röxzellenz, für die gnädige Auskunft.

(Die Bauern unter Reverenzen ab.)

Knöpflbauer (im Abgehen zu den andern beiden). Das ist aber ein gescheiter, feiner Herr.

Hubermartl. Das will ich meinen. Und so niederträchtig ist er, so herablassend!

Kasperl (allein). Dieses dumme Bauernvolk will alle Augenblick etwas anderes. (Zwei Bediente tragen eine ungeheure, rote Amtstasche herein.) Ah! das Portufeuille aus dem fürstlichen Kabinett. Legt es nur auf den Schreibtisch hin. Aber vorsichtig, damit nichts daran verdorben wird.

(Die Bedienten tun es und gehen ab. Kasperl stürzt auf das Portefeuille.)

Rezitativ.

(Rascher Eintritt des Orchesters mit einigen mächtigen Akkorden.)

Kasperl.

Sei mir willkommen, o Wonne! Du, meines Lebensglückes Sonne! (Prestissimo unisono, Lauf der Bässe und Violoncelle durch zwei Oktaven hinauf, Fortissimo. Sanfter Übergang der Violinen, wobei die Flöte einen Triller auf dem hohen Cis macht.) Wie lieb ich dich! wie bist du teuer mir! Verlaß mich nie; o blieb' ich stets bei dir! (Bässe und Violoncelle pizzicato: Pim pum, pim pim pim, Pim pam – pum pum pam.

Ritornell. Violinsolo, während Kasperl mit ausdrucksvollen Schritten auf- und abgeht.)

Arie.

(Melodie aus der »Weißen Frau«.)

Ha, welche Lust, Minister zu sein Und ein Portefeuille zu tragen; Die Besoldung ist nicht klein, Goldgestickt sind Rock und Kragen. Sechstausend Taler sind nicht schlecht Und dabei auch noch Diäten; Zum Leben ist dies grad so recht, Den Posten zu vertreten. Wer klug ist, der braucht kein System, Hängt nach dem Wind den Mantel; So dirigiert er ganz bequem, Hat alles gleich am Bandel. Ha, welche Lust, Minister sein Und ein Portefeuille zu tragen, Doch wer es ist, der habe fein Stets einen guten Magen.

Und dem Himmel sei's gedankt; einen guten Magen hab ich. Die Verdauung ist die Hauptsache für einen Minister, schon wegen alle die Diners und Festessen, die einer mitmachen muß . (Bedienter tritt ein.) Was will Er?

Bedienter. Ich soll ein Frauenzimmer melden, welches Eurer Exzellenz Aufwartung zu machen wünscht.

Kasperl. Mit was oder womit will mir dieses Frauenzimmer aufwarten?

Bedienter. Das hat sie nicht gesagt.

Kasperl. Ist dieses aufwartenwollende Wösen anderen Geschlechtes hübsch? Hat es aufwartungsfähige Gesichtszüge?

Bedienter. Gar nicht übel. Scheint vom Lande zu sein.

Kasperl. Man lasse diese ländliche Einfalt herein.

(Bedienter ab. Gretl tritt unter Knixen ein.)

Kasperl (vornehm, herablassend). Sie hat also Audienz verlangt? Wer ist Sie? Woher Sie? Warum Sie? Wozu Sie?

Gretl (für sich). Schändlich! Er will mich nicht mehr kennen. (Zu Kasperl.) Ja, Ihro Exzellenz; ich habe wegen eines Anliegens untertänigst aufwarten wollen.

Kasperl. Und was ist dieses Anliegen für eine Angelegenheit, Kleine? Nur schnell; man hat mehr zu tun, als sich mit solchen Spagatellen abzugeben.

Gretl. Für Sie mag es ein Bagatell sein, für mich aber nicht. Kennen Sie mich wirklich nicht?

Kasperl (beiseite). Schlipperment! Das ist die Gretl. (Zu Gretl.) Nein, mein Kind. Woher sollte ich Sie können können?

Gretl. Oh, Sie Nichtkenner! Sie! Sie kennen die Gretl nicht mehr?

Kasperl (tut, als ob er sich besänne). Gretl? – Gretl? – Wie? wo? was? –

Gretl. O verstellen Sie sich nicht so. Sie kennen mich recht gut. Sie wissen recht gut, daß Sie mir im Wirtshaus zur »Goldenen Eule«, wo Sie noch Ihre Zech' schuldig sind, das Heiraten versprochen haben.

Kasperl. Welche Unverschämtheit! – Ich – Minister!

Gretl. Ja, damals waren Sie freilich kein Minister, aber ein Vielfrißter und jetzt sind Sie der Vielvergißter.

Kasperl. Schweige Sie mit Ihren ungebührlichen Deprensionen.

Gretl. Ich schweige nicht. Ich will meine gerechten Ansprüche geltend machen. Was ein Mann versprochen hat, das soll er auch halten. Wie ich Ihnen damals in der Früh den Kaffee aufs Zimmer gebracht habe – –

Kasperl. Auweh! Kaffee!

Gretl. Ja, damals haben Sie's geschworen; »Gretl«, haben Sie gesagt, »Gretl, du gefallst mir, du wirst mein Weib, ich bleibe dir ewig treu. Ich hole dich ab, sobald ich eine feste Stellung hab« – ja und lauter so Sachen haben S' gesagt. (Weint und schluchzt.)

Kasperl. Ha! Alles verlogen. Und wenn ich es auch gesagt haben hätte, was nicht wahr ist, habe ich denn eine feste Stellung als Minister? Ha, du scheinst mir wenig eingeweiht zu sein in die Verhältnisse des konstitutionellen Staatslöbens.

Gretl. Schändlich, schändlich! Mich so zu hintergehen! Ein armes Mädchen so zu verlassen!

Kasperl (feierlich). Und wenn auch! – die Polutik steht zwischen uns. Du dauerst mich; allein höhere Zwöcke bilden eine unübersteigbare Kluft zwischen uns beiden. Löbe wohl! (Geht ab.)

Gretl (allein). So geh nur, du Ungeheuer! Eine Kluft ist zwischen ihm und mir. O wär's nur eine 10 000 Klafter tiefe Felsenkluft, in die ich mich hinabstürzen könnt'! (Stürzt weinend ab.)

Dritter Aufzug

Salon (wie im vorigen Aufzuge). Geheimer Sekretär Eulert in schwarzem Anzuge, Eulenkopf, große runde Brillen, welche die Eulenaugen bilden.

Eulert. Die Stunde der Erlösung naht. Dem Schicksal Dank, das mir den Narren in die Hände geführt hat! Nun habe ich nur noch ein paar Federn am Leibe, die ihm auszuziehen bleiben. Er ahnt es nicht. Ist die letzte verbraucht, so erlange ich wieder meine normale Menschengestalt; diese Sekretärsstelle ist nur ein Interim. Mein Schloß wird aus seinen Trümmern wieder erstehen, und ich werde dort wieder einziehen können in verjüngter Gestalt. Allerdings haben sich mittlerweile die Zeiten sehr geändert. Die ritterlichen Standesvorrechte sind gefallen. Nicht einmal siegelmäßig bin ich mehr. Meine vormaligen Untertanen sind nun freie selbständige Staatsbürger. Ich werde als simpler Rittergutsbesitzer ohne Gerichtsbarkeit auf Eulenschloß leben und muß mich eben in den Fortschritt des neuen Zeitalters fügen lernen. – Er kommt!

Kasperl (tritt ein). Ei, sieh da! mein lieber Eulert. Ich habe soeben das Portefeuille ins Kabinett explodiert. Mein Kopf ist wieder sehr angegriffen. Schlipperdibix! Es wird wieder eine neue Feder kosten. Mit der alten kann ich nichts mehr anfangen. Jetzt hab ich Ihnen gewiß schon ein paar hundert Federn ausgerupft. Nicht wahr, lieber Eulert?

Eulert. Es mag sein, aber das tut ja gar nichts zur Sache. Vorläufig muß ich Eurer Exzellenz eine etwas unangenehme Mitteilung machen.

Kasperl. Wie? Sie machen mich ganz stutzig.

Eulert. Es war ein Mädchen bei mir, welches mit der kühnen Behauptung auftrat, sie habe gegründete Ansprüche auf die Hand Eurer Exzellenz und sie wende sich an mich in dieser Angelegenheit, weil sie von Eurer Exzellenz abgewiesen wurde – – sie wolle – –

Kasperl (Eulert unterbrechend). Wie? was? Schlipperment!

Eulert. Ja – sie wolle sich an die Gerichte wenden.

Kasperl. Pfui Teufel! Das ist infam. Was nicht gar? Ich – Minister und diese ordinäre Person! (Pause. – – Gerührt.) Und doch! Mein Eulert, Mann meines Vertrauens! Ha! Mein Herz ! – Mein Gewissen. Meine Erinnerungen! (Setzt sich.) Raten Sie, Eulert! Helfen Sie!

Eulert. Exzellenz!

Kasperl (in tragischem Pathos, rasch aufstehend). Hören Sie, Eulert: Es war in jener schauerlichen Nacht, wo ich ermüdet, hungrig in die düstersten durstigsten Träume versunken an den Ruinen jenes zerfallenen Schlosses, nicht wissend wo oder wie – in ein ländliches Wirtshaus trat. (Tändelnd.) Ein liebliches Geschöpf trat mir mit freundlichem Willkomm entgegen.

Eulert (bedeutungsvoll). Ich weiß es. In jener Nacht, wo ich Sie als geheimnisvolle Eule umschwebte.

Kasperl. Ja. Sie umschwoben mich und erzählten mir eine Geschichte, eine Geschichte furchtbaren Inhalts; aber ich weiß kein Sterbenswörtl mehr davon. Da trat mir Gretchen wie ein lichter Engel entgegen. (Gerührt.) Ich nahm damals 12 Paar Bratwürsteln, einen Schlegelbraten mit Endiviesalat und noch verschiedenes andere mit verschiedenen flüssigen Stoffen zu mir. Alles, alles aus Gretchens Händen. O sie war so lieb, so gut! Ich hing an ihren Blicken, und sie hing an meinen Blicken! Wir verstanden uns bald. Zwei Herzen schlugen sich entgegen. Ich schwur, sie schwur, wir schwuren – kurz, es war ein gemeinschaftliches Geschwur. Aber – jetzt?! – Ich – Minister! Sie ein untergeordnetes Individuum! Furchtbarer Komplex!

Eulert. Exzellenz, fassen Sie sich. Vielleicht findet sich ein Ausweg, eine Vermittelung. Geduld' und Ruhe!

Kasperl. Oh! Oh! – was soll ich tun? Ich bin konprimiert. (Sich ermannend.) Doch lassen wir diese Privatverhältnisse. Die Staatspflicht geht vor. In einer halben Stunde muß ich zu Seine Durlaucht zum Vortrage. Ich brauche eine frische Feder. Kommen Sie mit mir in mein Kabinett, damit ich Ihnen wieder eine ausrupfen kann.

Eulert. Eurer Exzellenz immer zu Befehl. (Im Abgehen für sich.) Unglücklicher! es ist die letzte!

(Beide ab.)


Verwandlung

Vorzimmer in der Residenz. Von zwei Seiten eintretend Staatsrat von Walter und Geh.-Rat Aktenmaier.

v. Walter. Guten Tag, bester Geheimer Rat!

Aktenmaier. Meine Ergebenheit, Herr Staatsrat.

v. Walter. Kommen Sie vom Herzog?

Aktenmaier. Ei, ich vom Herzog? Wer kömmt denn noch zu Se. Durchlaucht?

v. Walter. Sie haben recht. Wer anders, als der Minister?

Aktenmaier. Die ältesten, bewährtesten Diener läßt man fallen.

v. Walter. Nur er hat sein Ohr! Es ist unbegreiflich, dieser Mensch ohne Herkunft, ohne Kultur, ohne Manieren!

Aktenmaier. Der Herzog ist entzückt von seinen Arbeiten.

v. Walter. Alles nur der Eulert. Ich kann Sie versichern: Ohne Eulert müßte er fallen. Der ist seine rechte Hand, sein alles.

Aktenmaier. Haben Herr Staatsrat gehört, wie er sich vorgestern wieder an der Hoftafel benommen? Sie waren nicht geladen, wie ich.

v. Walter. Ja, ich hörte so etwas munkeln.

Aktenmaier. Er fiel wieder einmal betrunken unter den Tisch. Denken Sie sich! Ein Glück, daß nur Herren und nicht auch Damen zur Tafel gezogen waren. Und Se. Durchlaucht – es ist unglaublich – Se. Durchlaucht hatten wieder ungeheuren Spaß an dem Vorfall. Als man den bewußtlosen Minister entfernt hatte, sagte der Herzog: »Das ist doch eine eigentümliche Natur! Trefflich und brauchbar als Staatsmann; aber ein bißchen sonderbar als Privatmann, eigentlich ohne Erziehung, ein Naturmensch; aber immerhin ein guter Kopf, wie nicht leicht seinesgleichen. Und das muß mir doch die Hauptsache sein.« Dies waren des Herzogs Worte. Ich habe sie aus dem Munde des Kammerherrn von Müller, der im Dienst war.

v. Walter. In der Tat, es wird ein bißchen arg. Wo will das hinaus?

Aktenmaier. Das eben frag ich Sie, Herr Staatsrat. Und ist uns dieser Parvenü nicht wie eine Bombe hereingefallen?

v. Walter. Eulert hat ihn dem Herzog empfohlen.

Aktenmaier. Warum aber hat Eulert nicht selbst das Portefeuille angestrebt?

v. Walter. Das wissen die Götter.

(Ein eintretender Hoflakai öffnet von außen eine Seitentüre.)

Lakai. Se. Exzellenz kommen von Se. Durchlaucht dem Herzog. (Ab.)

v. Walter (zu Aktenmaier). Sei'n wir vorsichtig.

Aktenmaier. Ich verstehe.

Kasperl (tritt ein). Ah, bon jour, bon jour, meine Herren!

v. Walter. Euer Exzellenz hatten wieder Vortrag?

Kasperl (ungeheuer wichtig und vornehm). Nur ein kleines halbes Stündchen. Ja, ja, ja. (Für sich.) Schlipperment! Jetzt hab ich meine Feder drin liegenlassen. Ich darf mich zusammennehmen mit den zweien da.

v. Walter. Darf ich mir die Frage erlauben, ob das Bahnnetz schon zur Sprache gekommen?

Kasperl. Wie? was? das Netz? Glauben Sie, ich fische mit dem Herzog?

v. Walter. Exzellenz, glaube ich, haben mich falsch verstanden.

Kasperl. Ich verstehe nie falsch, damit Sie es nur wissen.

v. Walter (zu Aktenmaier beiseite). Wie kömmt Ihnen dies vor?

Aktenmaier. Unglaublich.

Kasperl. Apripos, meine Herren: in welches Wirtshaus gehen Sie heute? In den »Blauen Bock« oder zum »Damischen Löwen«? In örsterem sehr gute Leberwürste, in letzterem ausgezeichnetes Bier, die Maß um 7 Kreuzer.

v. Walter. Herr Minister, das sind Fragen, die wir nicht beantworten können.

Aktenmaier. Weil wir derlei nicht gewohnt sind. Wir besuchen Lokalitäten nicht, in welchen der gemeine Plebs kneipt.

Kasperl. Wie was? wo ein gemeiner Schöps kneipt? (Für sich.) Da muß ich wieder eine Dummheit gesagt haben. (Vornehm scherzend.) Ja, ja meine Herren, das war nur ein Gespaß von mir. (Lacht.) Ha, ha, ha! Wie sollte ich? wie könnte ich? –

Aktenmaier. Das dachten wir gleich, Exzellenz. Aber darf ich fragen, wie steht es mit dem Ersatzposten für den Ausfall in der indirekten Steuer? Wie will der Herzog surrogiert wissen?

Kasperl (für sich). Schlipperment; das ist mir zu hoch. Wie zieh ich mich aus dem Schlamassel? O Feder, o Feder! (Zu Aktenmaier.) Es versteht sich, daß der Posten abgelöst werden muß. Der Ausfall aber war mehr ein Einfall und das angesteckte Feuer ist schon längst gelöscht.

Aktenmaier und v. Walter (gegenseitig). Welch ein Unsinn! Ist er verrückt?

Kasperl. Überhaupt, meine Herren, muß ich mir das ewige Gefrag verbitten. Ich bin kein Schulbub. Verstehen Sie mich? – Wenn nicht, so sag ich Ihnen etwas anderes. Verstanden?

v. Walter. Wie? hörte ich recht? Eine Zurechtweisung? Das lassen wir uns nicht gefallen. Wir sind im Staatsdienst ergraute Beamte.

Aktenmaier. Vergessen Eure Exzellenz nicht unsere Stellung.

Kasperl. Was Stellung? Halten Sie's Maul!

v. Walter und Aktenmaier. Ah, ah! Das ist zu arg!

Kasperl. Ich bin Minister.

v. Walter. Und wenn sechsfach Minister, eine solche Behandlung ist empörend. Kommen Sie, Herr Geh. Rat! Schnell zum Herzog! Es muß uns Genugtuung werden.

Aktenmaier. Ja, der Herzog muß uns hören.

(Beide rasch ab.)

Kasperl (allein). Auweh, pfutsch! Das ist a saubere G'schicht. Jetzt wird mich der Herzog auch gleich rufen lassen, wenn die zwei mich verklagen. Und ich hab keine Ministerfeder bei der Hand! Wenn ich nur den Eulert da hätt'! Ich weiß mir nicht zu helfen, ich lauf davon!

(Er will hinaus, Eulert tritt ihm an der Türe entgegen.)

Kasperl. O Rettet meines Lebens! Geschwind eine Feder, sonst bin ich verloren!

Eulert (feierlich). Du bist es! Die Feder, die du mir diesen Morgen ausgezogen, es war die letzte! Ich bin erlöst!

(Donnerschlag. Kasperl fallt um. Eulert verwandelt sich in einen elegant gekleideten Kavalier. – Der Vorhang fällt.)

Vierter Aufzug

Gegend des ersten Aufzuges. Wirtshaus. An der Stelle der Burgruine ein stattliches Schloß in modernem Stile. Morgenbeleuchtung.

Baron v. Eulenschloß (in Jagdkleidung mit Doppelflinte tritt ein). Herrlicher Morgen! ganz zur Jagd geeignet. Ich fühle mich so wohl, so zufrieden und bin in der Tat herzlich froh, daß ich endlich die mittelalterliche Eulenhaut abgestreift habe. Nun bin ich auch ein ganz anderer Mensch geworden, von sittlichem Ernste durchdrungen und doch voll Lebenslust. Ehemals ein roher, ungeschlachter Ritter, jetzt ein feiner Kavalier. Und welch eine angenehme Änderung in der Lebensweise! Ich bin zwar in mancher Beziehung nicht ganz mit dem Fortschritte der Zeit einverstanden, allein gewisse Vorteile sind doch überwiegend. Nehme ich nur z. B. die Umwandlung der Schußwaffen. Wie angenehm jetzt so ein Lefaucheux-Doppelgewehr! Pum! Pum! Dublette auf zwei Hasen! und in einer Sekunde geladen. Und ehemals: Armbrust, Jagdspeer. Welche Mühseligkeit für den Waidmann! Jetzt fliege ich in einer Stunde per Bahn in die Residenz; zu meiner Zeit hatte ich drei Meilen auf einem schweren Hengste zu trotteln. Und wie steht's mit Küche und Keller! An Trüffeln, Gansleberpasteten war ja vormals nicht zu denken. Um all derartige Vorzüge verzichte ich gerne auf die Gewaltherrschaft des mittelalterlichen Rittertums. Das Bauernprügeln war immerhin eine ganz artige Unterhaltung und es wäre auch dermalen bisweilen nicht schlecht angewendet; aber nun ist man die Kerls doch los, seit sie freie Staatsbürger geworden sind. Kurz, es lebe die Kultur unseres Jahrhunderts!

(Gretl kommt aus dem Wirtshaus.)

Eulenschloß. Ei sieh da, die schöne Wirtin!

Gretl. Oh, ich weiß recht gut, daß ich nicht schön bin.

Eulenschloß. Rührende Bescheidenheit bei glücklichem Bewußtsein.

Gretl. Mein Bewußtsein, Herr Baron, ist kein glückliches. Das wissen Sie ja.

Eulenschloß. Ja so, der gewisse Abscheuliche, Ungetreue!

Gretl. Ich bin nicht undankbar und werde die Wohltaten, die mir Euer Gnaden erwiesen haben, niemals vergessen. Was wär' ich denn, und was hätt' ich, wenn Sie mir nicht die Wirtschaft gekauft und mich zur Wirtin gemacht hätten? Aber trotzdem: Meinen Kasperl kann ich doch nicht vergessen.

Eulenschloß. Das nehme ich Ihnen auch nicht übel und finde es auch ganz natürlich.

Gretl (weint). Sie können gar nicht glauben, Herr Baron, wie mir das nachgeht! Und wenn er noch so abscheulich an mir gehandelt hat, ich wollt' ihm doch verzeihen, wenn ich nur wüßt', wo er wär'.

Eulenschloß. Seit seinem Sturze habe ich nichts mehr von ihm gehört. Er war bereits aus der Residenz verschwunden, als ich mein neues Schloß da bezog.

Gretl. Und ich hab mich als Kellnerin herumgefrett', bis ich aus lauter Sehnsucht wieder hiehergeraten bin, wo Sie sich meiner so gnädig angenommen haben.

Eulenschloß. Sprechen wir nicht davon. Es ist gern geschehen. Ich wollte die Wirtschaft in gutem Betriebe wissen. Sie waren mir aus früherer Zeit bekannt. Nun trösten Sie sich, liebes Gretchen. Vergessen Sie den Treulosen und suchen Sie sich einen braven Mann zum Wirte. Adieu! meine Jagdgäste erwarten mich zum Imbiß. (Geht ab.)

(Hörnerfanfaren hinter der Szene.)

Gretl (allein). Der Herr Baron hat leicht trösten; ich bin und bleib unglücklich, wenn ich meinen Kasperl nimmer sieh.

Lied.

 

Was nutzt mich all mein Hab und Gut? Es ist mir nimmer wohl zumut; Mir fehlt doch, mir fehlt doch – Mein Kasperl immer noch. Und geh im Haus ich aus und ein, Schau nach die Küh und nach die Schwein, Ins Ofenloch, ins Kellerloch – Mir fehlt mein Kasperl doch. Steh ich so einsam in der Schenk', Es gibt nichts anderes, was ich denk, Als er allein, als er allein; Mein Gott! wo wird er sein?

Ja! wo wird er sein? Ich weiß freilich nicht wo. Aber ich bleib ihm treu und gerad jetzt am allertreuesten, weil er vielleicht im Unglück ist. Es muß doch was Erschreckliches sein, wenn einer sein Portefeuille verloren hat, wie sie's heißen, so eine Ministertaschen! War ja das schon ein Mordsspektakel, wie vor 14 Tagen mein Metzger seine Brieftaschen verloren hat und waren nur hundert Gulden drin! – Aber jetzt muß ich hinein; nach die Knödel schaun für die Dienstboten. Mir schmeckt freilich weder Essen noch Trinken. (Ab ins Haus.)

Kasperl (in einen Mantel gehüllt, tritt nachdenkend mit großen Schritten auf. Hochtragisch). So irr ich denn umher – eine gefallene Größe! Ha! und sind nicht größere Größen gefallen? Schlipperment! hab ich einen Hunger und Durst! Ha! Vom Minister zum Bettler! Es war ein schauerlicher Monument, als mir der Herzog in seinem Kabinettl mit buwegter Stimme sagte: »Sie sind entlassen. Geben Sie das Portusol in meine Hände zurück.« Und wie ich die große Taschen auf seinen Schreibtisch niedergelegt hab, da hat er sein rotseidenes Sacktüchl herausgezogen und hat sich's vor die Augen gehalten und mir wieder g'sagt: »Löben Sie wuhl! Göhen Sie, machen wir uns den Abschied nicht schwer.« Nachher hat er sich auf seinen goldenen Fotoilsessel niedergesetzt und hat gesagt: »Mein Volk hat es gewollt.« Dann hat er mir noch eine Zehnguldenbanknoten in die Hand gedruckt und hat mir hinausgewunken. Ich hab den Zehnguldenzettel an meinen Busen gedruckt und bin so hinausmarschiert. (Er macht einige tragikomische Schritte.) Da ist aber der Teufel draußen losgegangen. Daß sie mich nicht geprügelt haben, hätt' beinah noch g'fehlt. Alle, die mir vorher ungeheure Komplimenten g'macht haben – bis am Boden – haben mich mit Verachtung ang'schaut, keiner hat mich mehr gekannt! Und von diesem Augenblicke an stund ich allein! – allein und verlassen!

Lied.

 

So geht's halt immer auf der Welt: Wenn einer kommt um Amt und Geld, Da zeigt sich gleich der blinde Wahn; Denn niemand schaut ihn dann mehr an. Ist einer auch ein rechter Lump, Gibt er nur Tafeln und auf Pump, So gilt er was und ist scharmant – Das ist doch wirklich eine Schand!

Das Menschengeschlecht ist treulos! – Aber, Kasperl! Wie hast denn du's gemacht? Bist du besser als die andern? Denk an die Gretl! (Sich umschauend.) Aber wie? wo bin ich? wohin habe ich meine Schritte gelenkt? Ist dies nicht das Haus, in welchem ich einst einen feierlichen Schwur schwur? Ist dies nicht der süße Ort jener unvergeßlichen und doch vergessenen Vergangenheit, wo ich meine Tatzen in ihre böbende Hand gelögt? O fürchterliche Vergeltung des Schicksals! Gräßliches Schicksal der fürchterlichsten Vergeltung! (Tiefbewegt.) Margareta! Kannst du mir vergeben? (Er weint ungeheuer und setzt sich auf die Bank an der Wirtshaustüre, sich in seinen Mantel hüllend.)

(Hiesl mit einer Heugabel tritt aus dem Hause.)

Hiesl. Meine sieben Knödl wären glücklich drunten. Jetzt heißt's auf d'Wiesen zum Heumachen. Was sitzt denn da für eine Figur?

Kasperl (für sich). Auweh! das ist ja der Hausknecht, der Hiesl, der mir damals meine Stiefel geputzt hat.

Hiesl. Heda,! Was tut Er da vorm Haus? Er ist gewiß so ein Vagabund. Also, raus mit der Sprach'! Wir wollen wissen, wer man ist.

Kasperl. Sei'n Sie mit einem Unglücklichen nicht grausam! Gönnen Sie dem müden Wanderer einen Augenblick Ruhe.

Hiesl. Die Wanderer kennt unsereiner schon. Die lassen gern etwas mitwandern. Marsch da! Wo ist's Wanderbüchl oder ein Vorweis?

Kasperl. Man braucht jetzt keinen Vorweis mehr. Weiß Er das nicht? Hat Er nicht die Verordnung im Amtsblattl gelesen, daß die Ansässigmachung frei ist? Also darf ich mich jedenfalls hier niedersetzen.

Hiesl. Da weiß ich nichts davon. Das sind nur so neumodische Sachen.

Kasperl. Kennt Er nicht das Polizeigesetz?

Hiesl. Mein Polizeigesetz ist und bleibt, daß man verdächtige Objekten ausweist; und wenn Er nicht gutwillig geht, so brauch ich meine Heugabel zum Deutlichmachen, was ich mein'. Verstanden? Aber zuvor will ich's doch der Wirtin sagen. Vielleicht gibt's Ihm a Nudl auf'n Weg oder a Stückl Hausbrot. (Ab ins Haus.)

Kasperl. Von allen Türen abgewiesen! eine Nudl! ein Stückl Hausbrot! mir – der ich auf feinen Porzellantellern Austern gegessen hab?!

Gretl (tritt aus dem Hause). Nun, was gibt's da? Wollt Ihr was? Seid's ein Bettler oder möcht's vielleicht eine Arbeit?

Kasperl (für sich). Himmel! sie ist es! – Doch Verstellung! Noch soll sie nicht wissen, wer ich bin. (Mit verstellter tiefer Stimme.) Ich bin ein armer, armer Mann. (Nähert sich Gretchen mit schlotternden Schritten.)

Gretl. Wenn Ihr wirklich arm seid, so will ich Euch gern was schenken. Geht nur ein bißl in die Zechstuben herein.

Kasperl (für sich). Oh, wie gut sie ist! (Laut wie vorher.) Ich bin ein armer alter Mann und suche eigentlich einen armen aber jungen, hübschen Mann auf, der mein weitschichtiger Vetter ist.

Gretl. So? und wer ist denn Euer weitschichtiger Vetter?

Kasperl. Ein gewisser verunglückter, edler Mensch. Er heißt Kasperl Larifari.

Gretl (in höchster Aufregung). Wie? ums Himmels willen! – Kasperl Larifari? – Wißt Ihr was von ihm? Nur schnell!

Kasperl. Liegt Euch denn so viel an diesem meinem Herrn Vetter Kasperl Larifari?

Gretl. O sagt nur, ob Ihr etwas von ihm wißt. Laßt mich nicht so lang in Ängsten.

Kasperl (wirft den Mantel weg und fallt Gretl zu Füßen). Margareta! Sieh ihn hier zu deinen Füßen!

Gretl. Mein Kasperl! Mein Kasperl! bist du's wirklich?

Kasperl (aufstehend, fällt ihr um den Hals). Ja, ich bin's, bin's, bin's! – aber kannst du mir noch gut sein?

Gretl. O es ist alles vergessen, weil ich dich nur wieder hab!

Kasperl. Juhe! Du warst und bist meine allerliebste Gretl!

Gretl. Auf ewig, ewig!

Duett.

 

Wir haben uns wieder gefunden, O selige, selige Stunden! Du mein, ich dein, Es soll nicht anders sein. Wie lang mußt' ich dich vermissen, Mein Herz das war beinah zerrissen! Nichts trennt uns mehr; O komme, komm nur her!

(Sie fallen sich in die Arme. Eulenschloß, der mittlerweile eingetreten, nähert sich.)

Eulenschloß (nachsingend).

 

Wir haben uns wieder gefunden, O selige, selige Stunden – –

Ha, ha! so geht's auf der Welt. Die Ehen sind im Himmel geschlossen. Ich lade mich zur Hochzeit ein.

Kasperl und Gretl. Ei, der gnädige Herr!

Eulenschloß. Nicht Herr, sondern Freund.

Kasperl. Allzugnädig, allzugnädig. Gretl, wie meinst du? Könnten wir nicht schon in acht Tagen Hochzeit halten?

Gretl. Mir ist's recht. Je eher, je lieber.

Kasperl. Jetzt hab ich das rechte Portefeuille erwischt. Das laß ich aber nimmer aus.

Eulenschloß. Da bedarfst du auch eines Geh.-Sekretärs Eulert nicht mehr.

Kasperl. Nein! Nein! Dieses Ministerium kann ich allein versehen.

(Gruppe. Der Vorhang fällt.)

Ende des Stückes